Julia Hingst, Tarkan Bagci und Arkadij Khaet im Gespräch

Julia Hingst,Tarkan Bagci und Arkadij Khaet haben sich im Autor*innenteam rund um Headautor Joy Chun intensiv an der Formatentwicklung beteiligt. Wie die Geschichten und Sketche entstanden sind, erzählen sie in einem Interview.

Wie sind die Geschichten entstanden?

Tarkan Bagci:
„Wir haben uns recht frei und ohne wirklich die Serie im Hinterkopf zu haben über unsere eigenen Erfahrungen mit Rassismus ausgetauscht. Unsere Kindheitserinnerungen, aber auch Dinge, die uns aktuell beschäftigen oder erst vor kurzem passiert sind. Dabei kam es oft vor, dass jemand eine sehr persönliche Geschichte erzählt hat, die dann aber auf große Resonanz gestoßen ist ‚Ach, so was ist mir auch mal passiert!‘, oder ‚Meine Mutter sagt das auch dauernd!‘, oder so ähnlich eben und dann wussten wir, dass das eine Geschichte ist, die wir erzählen sollten. Das war eine ziemlich spannende Herangehensweise an die Ideenfindung für Sketche und viel persönlicher, als ich es von anderen Formaten bisher gewohnt war.“

Arkadij Khaet:
„Die Produzenten des Films haben bewusst ganz unterschiedliche Menschen und Charaktere im Writers-Room zusammen arbeiten lassen. Wir waren eine diverse Autor*innengruppe und konnten aus unseren subjektiven Erfahrungen schöpfen. Das Schreiben hat sich dann gar nicht so sehr nach Arbeit angefühlt, sondern viel mehr wie kostenlose Gruppentherapie. Unter der Prämisse „Was würden wir gerne erzählen, wenn wir die Welt für ein paar Sekunden einfrieren könnten?“, entstanden dann die Sketche und Monologe – kinderleicht erzählt, damit alle kleineren Menschen Spaß beim Zuschauen haben und auch größere Sturköpfe endlich verstehen was Sache ist.“

Wie haben Sie sich dem Thema genähert? Haben Sie eigene Erfahrungen in die Arbeit zum Format mit eingebracht?

Julia Hingst:
„Um mich dem Thema Rassismus und antirassistisches Verhalten zu nähern, habe ich mich zuvor mit den Büchern von Tupoka Ogette und Alice Hastes auseinandergesetzt und mich auf meine eigenen Rassismen überprüft. Die Geschichten selbst sind dann durch einen Austausch der Autor*innen über eigene Rassismuserfahrung oder in meinem Fall durch den Austausch über eigene Fehltritte oder Fehltritte aus meinem Umfeld entstanden. In der Geschichtenfindung war mein Ansatz jedoch hauptsächlich das Zuhören, da ich als weiße Frau nicht von Rassismus betroffen bin.“

Tarkan Bagci:
„Unsere eigenen Erfahrungen waren eigentlich fast immer der Grundstein für die Geschichten und Sketchprämissen und uns wurde sehr viel Freiraum gelassen, um diese Erfahrungen zu teilen und zu besprechen, ohne an die Serie zu denken. Erst in einem zweiten Schritt kam dann die Transferleistung: Wie können wir diese Geschichte mit unserem Ensemble erzählen? Welche Orte, die im Alltag der Kinder stattfinden, könnten als Arena dienen? Und natürlich: Welcher Aspekt der Geschichte bringt uns zum Lachen?“

Welche Potenziale sehen Sie in dieser Art von Sensibilisierung von Kindern zum Thema Rassismus?

Julia Hingst:
„Comedy kann die Schwere für einen Moment von einem Thema nehmen. Und so hoffe ich, dass wir mit dieser Serie ein so schmerzhaftes Thema so angenehm wie möglich für Betroffene aufbereiten konnten. Die Message an Betroffene lautet: Was ihr erlebt ist real und nicht in Ordnung und es ist euer gutes Recht euch zu wehren, auch wenn die Gesellschaft euch noch oft genug etwas anderes glauben lassen will. Die Message für alle Nicht-Betroffenen lautet: Nicht rassistisch zu sein reicht nicht. Unsere Privilegien machen es zu unserer Pflicht aktiven Anti-Rassismus zu leben.“

Tarkan Bagci:
„Rassismus wird oft wie ein Bauchgefühl behandelt, dabei gibt es Forschungen und Studien dazu, wie zu anderen wissenschaftlichen Themen auch. Niemand würde zum Beispiel bei einer Diskussionsrunde über Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit erst einmal zur Debatte stellen, ob es Arbeitslosigkeit überhaupt gibt. Bei Rassismus geht das aber aus irgendeinem Grund. Ich hoffe, dass die Serie dazu beitragen kann, dass Grundlagen geschaffen werden, die in Zukunft einen gesunderen, produktiveren Diskurs ermöglichen.“

Arkadij Khaet:
Beim Film und Fernsehen haben wir die Möglichkeit, einen Perspektivwechsel herbeizuführen. Wir sehen unsere jungen Held*innen, sind empathisch, verstehen sie, lachen oder leiden mit ihnen. Dieser Perspektivwechsel birgt die große Chance, viele komplizierte Dinge wie alltäglichen und auch subtileren Rassismus zu begreifen. Ich glaube aber auch, dass viele junge Zuschauer*innen dieses Thema schon besser durchschaut haben als viele Erwachsene. Ich hoffe insgeheim, dass die Eltern mitgucken und ihre Denkmuster ebenso hinterfragen.“

Wie hat sich Ihre Arbeit im Verlauf entwickelt?

Julia Hingst:
„Das Thema Rassismus braucht und verdient besonders gründliche Gedankenprozesse und so war auch diese Show keine, die ich nach Feierabend im Büro gelassen habe. Wir haben intensive und bereichernde Diskussionen über die Verbindung von Comedy und antirassistischen Handlungsoptionen geführt, die mich noch lange, auch in weiteren Projekten, in meiner Art zu schreiben und zu konzipieren begleiten werden.“

Arkadij Khaet: „Nachdenken, Diskutieren, Schreiben, Diskutieren, Nachdenken, Diskutieren, Schreiben, Schreiben, Drehbuch.“