Interview

„Rabe Socke“ - ein Interview mit SWR-Redakteur Benjamin Manns

Benjamin Manns ist Redakteur im Kinder- und Familienprogramm des SWR und macht seit über 25 Jahren Kinderprogramm. Im Interview erzählt der Rabe Socke-Redakteur von seiner außergewöhnlichen Figur und warum Socke so ist, wie sie ist.

Benjamin Manns hat für den KiKA neben „Rabe Socke“ auch Sendungen, wie „TOM und das Erdbeermarmeladebrot mit Honig“, „Arthur und die Freunde der Tafelrunde“, „Animanimals“ oder „Ich kenne ein Tier“ entwickelt und zahlreiche Preise gewonnen.

1. Was macht Rabe Sockes Charakter so außergewöhnlich?

"Socke ist in jedem Fall anders: Er klaut seinen Freunden das Spielzeug. Er simuliert Krankheiten, um nicht mithelfen zu müssen. Er spuckt in die Nudelsauce, wenn er meint, zu wenig abzubekommen und im Ausreden erfinden ist er spitze. Socke mutet uns also erstmal einiges zu. Aber beim zweiten Hinsehen entdecken wir einen Jungen, der sein Herz auf dem rechten Fleck hat. Egal, was er ausfrisst, er lässt uns dabei immer in seine Seele blicken, so dass wir verstehen, warum er es tut. Socke kommt letztlich immer zur Einsicht und er findet kreative Lösungen, um seine Fehler wieder gut zu machen."

2. Warum stößt die Figur bei Erwachsenen auf Kritik?

"Natürlich ist Socke streitbar. Aus dem Impuls heraus sucht er seinen Vorteil. Auch wenn sich am Ende alles auflöst und Socke immer ein Stückchen dazu lernt, steht zu Beginn ein Konflikt. Eltern von jüngeren Kindern vermissen daher mitunter die Vorbildfunktion von Socke. Aber bei den Kindern erleben wir eine andere Reaktion. Sie haben eine feine Sensorik dafür, was richtig ist und was falsch. Sie haben Spaß daran, die Fehler von Socke als solche zu erkennen. Und es macht sie stolz, dass sie schon weiter sind. Sie machen aber auch die Erfahrung, dass man Socke letztlich vertrauen kann. Und dass er ein toller Spielkamerad ist."

3. Warum sind die Geschichten um Rabe Socke so erfolgreich?

"Sockes Welt ist eine Welt, in der Kinder alle Möglichkeiten haben. Eine Welt mit viel Selbstbestimmtheit. Verbunden damit ist das Vertrauen, dass Kinder auch Dinge selbst regeln können. Endlose Sommerferien. Eigentlich haben wir es mit einer Art Traumsituation im Kindergarten zu tun: Stell dir vor, wir würden alle hier wohnen und hätten alle unser eigenes Haus. Daher gibt es auch keine Eltern in der Serie. Frau Dachs gibt die Sicherheit und steckt den Rahmen. Aber davon abgesehen ist jedes Abenteuer denkbar. Ballonfliegen, Seeräuberschlachten, Schatzsuche, Theater spielen usw."

4. Socke ist eine besonders frecher und Regeln missachtender Held. Wo liegt seine Grenze?

"Wichtig war uns, dass Socke selbst zur Einsicht kommt, wenn er Fehler macht. Wir wollten vermeiden, dass eine Situation entsteht, in der Erwachsene Socke ins Gewissen reden und er sein Verhalten daraufhin ändert. Dafür gibt es in den Geschichten unterschiedliche Ansätze. Manchmal braucht Socke keinen Anstoß und merkt selbst, dass er einen Fehler wieder gut machen muss. Manchmal, wenn er blockiert ist, hilft ihm seine Socke – quasi sein gutes Gewissen – auf die Sprünge. Mir ihr führt er Zwiegespräche. Sie kann immerhin nicken oder mit dem Kopf schütteln. Und manchmal sind es seine Freunde, die ihm die Situation spiegeln. Besonders effektiv ist es zum Beispiel, wenn der kleine Dachs Socke die Leviten liest. Danach kommt für Socke meist ein Moment der inneren Einkehr, aus dem er gestärkt und mit einem Plan hervorgeht."

5. Inwiefern bildet die Serie „Rabe Socke“ Vielfalt ab?

"Die Socke-Welt ist eine kleine und auch eine hermetisch abgeriegelte. Da sind die Möglichkeiten, Vielfalt oder Pluralismus abzubilden, begrenzt. Die Vielfalt steckt höchstens in den Eigenarten der verschiedenen Figuren. Dass alle Figuren Tiere sind, schafft zudem eine Abstraktionsebene. In den Büchern gibt es nicht mal eine Veranlassung, zu unterscheiden ob ein Tier ein Junge oder ein Mädchen ist. Für die Serie mussten wir diese Entscheidunng fällen. Und wir haben ins bemüht, Klischees zu vermeiden. So ist der ängstliche Wolle beispielsweise ein Junge und das Bibermädchen Fritzi eine junge Handwerkerin."

6. Welche Intention verfolgt die Serie ?

Der kleine Rabe Socke | Rechte: SWR/NDR/Akkord Film
Der kleine Rabe Socke

Im Outro-Song "Ich bin wie ich bin" heißt es "Ich bin wie ich bin und das ist gut so. Jeder soll so sein wie er ist". Der Titelsong dagegen erzählt, was Rabe Socke so anstellt (Wer klaut die Spielsachen und wer ist immer laut?) und macht Lust zum Mitsingen.

"Die Serie greift ein Problem auf, das viele Kinder haben. Jungen nach unseren Studien sogar häufiger als Mädchen. Sie wollen sich austoben, sich messen, brauchen Bewegung. Reden, Konfliktlösung, lange Konzentrationsphasen – das sind Kompetenzen, die sich bei ihnen vielleicht erst später herausbilden. Daher machen sie immer wieder die Erfahrung, dass sie den Anforderungen nicht genügen. Dass sie anstrengend sind, aus der Rolle fallen. Dazu kommt, dass ihre Ansprechpersonen oft Frauen sind – Mutter, Erzieherin, Lehrerin - die sich besser in Mädchen hineinversetzen können als in Jungen. Socke gibt diesen entmutigten Jungs Selbstwertgefühl zurück, auch mit dem Song "Ich bin wie ich bin". Und er zeigt auf, dass man Fehler korrigieren kann, ohne sein Gesicht zu verlieren."

8. Rabe Socke hat durch Jan Delay bzw. Louis Hofmann eine besondere Stimme bekommen – wieso wurde sie so ausgewählt?

Beim SWR Kindernetz finden Sie ein Interview mit Synchronsprecher Louis Hofmann, in dem er über die Vertonung der Figur Rabe Socke spricht.

"Jan Delay war ein Glücksgriff für uns. Er identifiziert sich mit Socke und seine Kinder lieben es. Seine Stimme transportiert das, was Socke ausmacht. Das Launische, die Zerrissenheit und die unbändige Energie. Eine Serie verlangt einem Sprecher terminlich viel ab. Das war in der Situation, als wir die Rolle für Socke besetzt haben, leider nicht zu realisieren. Daher haben wir uns für Louis Hofmann entschieden, der ein ausgezeichneter Schauspieler ist. Er ist ein Charakterdarsteller, der Socke Tiefe verleiht. Socke ist ein durch und durch emotionaler Rabe, dessen Emotionen von Himmelhoch bis zu Tode betrübt hin- und herspringen. Louis setzt das perfekt um. Oft muss er auch knatschig klingen. Vielleicht stört das einige Zuschauer." 

9. In Sockes Welt gibt es kaum Erwachsene. Warum ist das so?

"Das ist richtig. Frau Dachs ist die einzige Bezugsperson. Und die Kinder sind froh, dass sie sie haben. Aber uns interessiert an den Geschichten das Verhältnis der Kinder untereinander. In einer Kindergartensituation müssen die Kinder auch viele Konflikte untereinander lösen. Aber es geht natürlich nicht nur um Konflikte. Denn wir wollen eine Welt erzählen, die der Fantasie von Kindern entspringt. Und Kinder träumen nun mal eher von Baumhäusern, Floßfahrten oder Schatzsuchen."

10. Inwieweit identifizieren Sie sich mit Rabe Socke?

"Ich liebe Figuren, die unsere Erwartungen brechen. Auf dem Reißbrett wäre bestimmt ein toller Held entstanden, der sich bis zur Selbstaufgabe der Rettung anderer widmet. So sind wir alle nicht. Und Socke ist unheimlich kreativ. Er hat immer verrückte Ideen. Das versuche ich mir auch stets zu bewahren und zu kultivieren."   

11. Sehen Sie bei Ihren Kindern Gemeinsamkeiten mit Socke?

"Ich habe drei Kinder. Sie sind mittlerweile älter. Daher muss ich etwas zurückblicken. Notlügen und Ausflüchte kenne ich natürlich gut. Auch zähes Ringen um Regeln und deren Einhaltung. Ich sehe Gemeinsamkeiten, wenn es Rangeleien und Konflikte mit anderen Kindern gab. Besonders wenn sie Verletzungen erfahren haben, auch wenn sie gar nicht so gemeint waren. Da gings dann auch mal her wie in einer Socke-Geschichte. Und viel Fantasie haben meine Kinder natürlich auch."   

12. Was können Kinder und Eltern von Rabe Socke lernen und mitnehmen?

"Wir lernen: Es gibt immer eine Möglichkeit, seine Fehler wieder gut zu machen. Am besten gemeinsam mit den Geschädigten. Und vielleicht lernen wir auch, etwas tiefer in die Seelen von Kindern zu schauen, die viel Bewegungsdrang haben und die es brauchen, sich physisch auszuleben."

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