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Transkript zu Episode 17: „Kinder kriegen mit, was auf der Welt passiert und sie haben Fragen dazu.“

„Ich wünsche mir, dass Kinder in der Berichterstattung für Erwachsene mitgedacht werden“. Wie sehen Kindernachrichten in Zukunft aus? Wie können logo! und KiKA auf die Bedeutung von Kindern in unserer Gesellschaft aufmerksam machen?

Eva Radlicki: Kinder kriegen mit, was auf der Welt passiert und sie haben Fragen dazu. Und wenn ihnen diese Fragen niemand beantwortet, dann haben Kinder Angst.

[Intro] „Generation Alpha - der KiKA-Podcast“

Inka Kiwit: Und damit Hallo zu einer neuen Folge von „Generation Alpha - Der KiKA-Podcast“. Heute mit mir, Inka Kiwit, und zu Gast ist Eva Radlicki, die verantwortliche Redakteurin der Kindernachrichtensendung „Logo“. Ich glaube, ich kenne keinen Kollegen, keine Kollegin, die so viele Epochen des Kinderfernsehens und Umbrüche in unserer Medienwelt in nur einem Format von Stunde Null an miterlebt hat. Seit über 30 Jahren ist sie im „Logo“-Team dabei. Und wie könnte es anders sein: Natürlich sprechen wir über Kindernachrichten. Klar ist, dass wir bei KiKA von ARD und ZDF unsere Zielgruppe sehr ernst nehmen und durch Studien und unseren Dialog mit ihr wissen wir ganz genau: Kinder wollen informiert sein und sie wollen mitreden können. Wie können wir also noch mehr in der Zukunft dazu beitragen, dass Kinder sich selbst positionieren, sich eine eigene Meinung bilden und die komplexen Themen unserer Welt verstehen können? Wie funktioniert tagesaktueller Qualitätsjournalismus für Kinder? Ich freue mich auf die Antworten von Eva Radlicki und auch auf den Blick hinter die Kulissen der Kindernachrichtenredaktion „Logo“. Und hier kommt schon mal ein kleiner Vorgeschmack von Evas Vision, die sie für die Generation Alpha mitgebracht hat.

Eva Radlicki: Dass alle Erwachsenen in allen Berufen quasi verpflichtet werden, einen Teil ihrer Lebensarbeitszeit für Kinder oder mit Kindern zu arbeiten.

Inka Kiwit: Über Qualitätsjournalismus für Kinder, warum auf Augenhöhe sein keine passende Formulierung ist und wie beängstigende Meldungen am besten kindgerecht aufgearbeitet werden. Darüber habe ich also mit Eva Radlicki gesprochen.

Inka Kiwit: Hallo Eva Radlicki, herzlich willkommen bei „Generation Alpha – der KiKA-Podcast“.

Eva Radlicki: Hallo, freue mich dabei zu sein. Guten Morgen.

Inka Kiwit: Schön, dass du da bist. Bleiben wir beim „Du“, Eva?

Eva Radlicki: Ja, wir bleiben beim „Du“.

Inka Kiwit: Schön! Wir starten immer gerne mit einer eher ungewöhnlichen Frage in das Gespräch. Wenn du die Königin von Deutschland wärst für einen Tag, was würdest du, kurz und knapp, direkt heute anpacken und verändern wollen für die Generation Alpha?

Eva Radlicki: Also, wenn ich die Königin von Deutschland wäre, dann könnte ich auch zaubern. Weil ich meine, das ist genauso unrealistisch wie Königin zu sein.

Inka Kiwit: Das stimmt.

Eva Radlicki: Und ich würde so einen Respekt- und Verantwortungszauber herstellen, dass alle Erwachsene für einen Tag voll konzentriert darauf wären, was sie mit Kindern oder für Kinder tun könnten - den ganzen Tag lang. Und natürlich hätten alle frei, damit sie auch ausreichend Zeit dafür haben.

Inka Kiwit: Das finde ich schön. ein Verantwortungszauber. Was glaubst du, würde dann umgesetzt werden?

Eva Radlicki: Das wäre mehr als ein ganzes Buch. Ich habe so das Gefühl, dass Erwachsene zwar ganz oft sagen, die Kinder sind unsere Zukunft und das ist das Wichtigste auf der Welt. Aber wenn es dann konkret wird im täglichen Tun, dann sind Kinder eben doch erst ganz als allerletztes dran. Und ich glaube, da könnte sich sehr, sehr viel ändern. Ich sehe das manchmal… Also was weiß… Ich habe eine Reise nach Amsterdam gehabt, von Köln im Zug. Das ist schon ein paar Jahre her. Und da sagte der Schaffner, sobald die Grenze überschritten war: „Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kinder“… Und das gab es in Deutschland nicht. Und dann habe ich so gedacht: Ja, wir denken Sie so oft nicht mit und sie sind auch nicht stark genug, immer auf sich selbst aufmerksam zu machen. Und das hat mir damals sehr zu denken gegeben. Dieses Gefühl habe ich aber tatsächlich auch beim täglichen Arbeiten ganz oft, das als plakativ vor sich hergetragen wird, Kinder sind das Wichtigste auf der Welt. Aber dann, wenn es konkret wird, dann vergisst man sie auch ganz oft. Und das würde sich grundsätzlich mit meinem Verantwortungszauber ändern.

Inka Kiwit: Vielen Dank dafür. Das sind auf jeden Fall sehr, sehr schöne Gedanken. Eva, wie konsumierst du denn selbst gerade Nachrichten in einer, sagen wir mal, eher angespannten Nachrichtenlage weltweit.

Eva Radlicki: Ich habe bei mir selber festgestellt, dass ich weniger Nachrichten schaue als Nachrichten lese. Ich habe immer morgens schon Moma geguckt und dann habe ich die Nachrichten bei RTL und dann die „heute“ und später die Tagesthemen. Also ich habe, der Tag war eigentlich angefüllt vom Schauen. Und das ist zurzeit definitiv nicht so, weil ich merke, dass bei mir eine emotionale Grenze erreicht ist, die mich auch überfordert. Und ich kann, wenn ich lese, mehr Abstand für mich selbst herstellen, kann das auch besser selbst dosieren, habe auch nicht das Gefühl, dass mich die Aufgeregtheit einer Moderatorin oder eines Moderators in eine bestimmte Richtung drängt. Und das ist schon für mich selbst erstaunlich. Ich hätte das nie gedacht, dass ich das mal von mir sagen würde, dass mich das Schauen von Nachrichten belastet.

Inka Kiwit: Wenn es dich schon belastet: Glaubst du, dass das Kinder noch mal deutlich mehr mitnimmt, die aktuelle Weltlage?

Eva Radlicki: Ja und Nein. Also zum einen glaube ich, dass es kaum ein Kind gibt, das jeden Tag Nachrichten guckt, also jeden Tag bewusst Nachrichten guckt. Deswegen Nein. Also in den 30 Jahren, über 30 Jahren, die ich jetzt „Logo“ begleite, haben wir das auch immer wieder gemerkt. Klar sind Kinder super happy, dass es die Nachrichten für sie gibt, aber sozusagen den Nachrichten-Junkie als Kind, den gibt es in der Weise höchst höchst selten. Und Kinder schaffen sich selbst auch immer wieder eine Distanz, indem sie irgendeinen Quatsch machen, spielen gehen, sich mit ihrer Puppe unterhalten. Das ist eine ganz tolle Eigenschaft, die zum Glück die meisten Kinder haben. Und auf der anderen Seite: Ich hatte ja gesagt, sie sind einerseits weniger belastet und andererseits aber doch, weil Kinder ein sehr gutes Gespür dafür haben, wann ihre Eltern ängstlich werden. Und das ist natürlich ein Gradmesser. Solange meine Eltern cool sind und auch nicht dauernd über ein bestimmtes Thema reden, wie zum Beispiel die Pandemie oder den Krieg in der Ukraine, sind Kinder meistens auch relativ gelassen. Wenn sie aber merken, dass da das Level ein anderes wird - und das muss ja noch nicht mal die Anzahl der Gespräche sein, sondern die Stimmung, in der sie stattfinden - dann ist es natürlich extrem belastend für Kinder.

Inka Kiwit: Wie ist das bei euch oder bei dir in der Redaktion? Briefst du da deine Kollegen und Kolleginnen, deine Moderatorinnen und Moderatoren, auf reine Sachlichkeit und keinerlei Emotionen in den Moderationen, oder wie machst du das?

Eva Radlicki: Bei den Moderatorinnen und Moderatoren, jetzt gerade am Beispiel des Ukraine-Kriegs, haben wir sehr großen Wert darauf gelegt, zu sagen, fahr nicht hoch. Also stelle auch dein eigenes Denken, deine Sorgen, ein Stückchen zurück und bleibe bewusst sehr sachlich. Die Logo-Moderationen sind ja ansonsten gar nicht so sachlich, aber in dem Fall war eine ganz bewusste Entscheidung. Und ich habe mich auch sehr gefreut, dass denen das so gut gelungen ist.

Inka Kiwit: Vielleicht können wir mal an einem praktischen Beispiel zeigen, wie tagesaktueller Qualitätsjournalismus bei „Logo“ in die Tat umgesetzt wird. Weil wir jetzt die ganze Zeit über den Ukraine-Krieg, ein super aktuelles Thema, sprechen: Nimm uns mal gedanklich mit zurück in die „Logo“-Redaktion. Es ist der 24. Februar 2022, Russland hat begonnen, die gesamte Ukraine anzugreifen. Was lief bei euch ab? Und wie habt ihr die Nachrichtenlage für Kinder eingeordnet?

Eva Radlicki: Es war ja relativ schnell klar, dass das wirklich ein außerordentliches Ereignis ist und was wir in solchen Fällen gerne machen und auch an diesem Tag getan haben, war Kinder aufzurufen, uns ihre Fragen zu schicken. Und die Sendung haben wir anhand der Fragen - die Sendung nicht nur dieses Tages, sondern auch der darauffolgenden Tage - haben wir anhand der Fragen gebaut. Damit nicht wir die Schwerpunkte setzen und sagen, das wäre jetzt das Wichtigste, was man im Alter von neun oder zehn Jahren wissen müsste, sondern wir haben uns von den Kindern sagen lassen: Das ist das, was wir unbedingt wissen wollen.

Inka Kiwit: Und was war die drängendste Frage?

Eva Radlicki: Kann der Krieg zu uns kommen? Und danach haben wir dann recherchiert, haben uns Expertinnen und Experten gesucht, haben mit dem SPD-Sicherheitsexperten Michael Roth auch einen wirklich tollen Mann gefunden, der in der Lage war, kindgerecht und einfach die Fragen zu erklären. Ich kann mich noch erinnern: Er hat irgendwie so einen Satz gesagt: Der Krieg betrifft uns momentan nur aus der Ferne, aber er betrifft unsere Nachbarn und unsere Nachbarn sind auch unsere Freunde. Also die Art und Weise, wie er sich ausgedrückt hat, war total super und den Kinderfragen auch echt angemessen. Und auch an den Tagen danach haben wir uns sehr an Kinderfragen orientiert, haben da aber auch schon Kinder, ukrainische Kinder hier in Deutschland getroffen, die sowieso schon hier waren, haben mit denen drüber geredet, was es mit ihnen macht, um einfach zu zeigen: Da sind Leute in deren Land, wo vielleicht Oma und Opa wohnen, ist nichts mehr so wie es noch zwei Tage vorher war. Aber das ist so die Regel zu sagen, wir sammeln die Fragen von Kindern und die kamen enorm schnell und auch ganz, ganz viele. Und anhand der Fragen bauen wir die Sendung. Und andererseits gibt es natürlich bei „Logo“ ein sehr geprüftes und auch bewährtes Regelwerk, wie man in solchen Situationen berichtet. Das fängt bei den Bildern an. Wir zeigen keine Nahaufnahmen von Menschen die auf Menschen schießen. Wir zeigen keine Bilder von Menschen aus der Nähe, die stark verletzt wären. Das finde ich superwichtig. Man kann natürlich Bilder vom Krieg zeigen, zerstörte Häuser, auch Gruppen von Menschen, die sich mit ihren Sachen von einem Ort zum nächsten bewegen. Vielleicht Leute die versuchen, irgendwo Schutz zu finden. Aber diese ganz nahen Bildeinstellungen, die vermeiden wir ganz bewusst.

Inka Kiwit: Bilder dürfen nicht schlaflos machen. Das hast du oft in den letzten Jahren gesagt. Wie wählt ihr Bilder aus?

Eva Radlicki: Je nachdem, was es zu erzählen gibt, kehren wir auch in Fotos. Also dass es kein bewegtes Bild ist sondern lediglich ein Foto oder gar in komplette Grafik. Das ist ja was, was wir machen können. Darum beneiden uns die Erwachsenennachrichten manchmal auch. Und das ist durchaus hilfreich, weil ein gezeichnetes Bild ist eben was anderes als ein bewegtes Bild, indem ich das Leid von Menschen, auch wenn es weiter weg ist, eben doch sehr viel deutlicher sehe.

Inka Kiwit: Ja. Kindernachrichten begegnen Kindern ja am besten auf Augenhöhe und mit viel Wertschätzung. Wie vergewisserst du dich denn, dass das gelingt? Wie holt ihr euch Feedback bei der Zielgruppe ein?

Eva Radlicki: Ich sage zuerst mal was zum Thema Augenhöhe.

Inka Kiwit: Ja, gerne.

Eva Radlicki: Eigentlich mag ich das Wort nicht so gerne, weil es immer noch bedeutet, sich herabzubeugen. Was ich wichtig finde, ist immer zu überlegen, wo bin ich als Erwachsener, als erwachsene Journalistin oder Journalist tatsächlich in der Situation, mehr zu wissen und es jemanden beizubringen, der weniger weiß. Dann finde ich „auf Augenhöhe“ in Ordnung, weil ich mich mit meinem Wissen auf Augenhöhe begebe und es einem Kind erkläre. Und das finde ich ganz wichtig, sich immer noch mal zu vergewissern, wenn man für Kinder arbeitet. Wo passt das Wort „auf Augenhöhe“ und wo geht es um einen gleichberechtigten Dialog?

Inka Kiwit: Spannender Gedanke. Wie vergewisserst du dich denn, dass das alles ankommt bei den Kindern, bei der Zielgruppe. Also wie holt ihr euch Feedback ein?

Eva Radlicki: Also jenseits der Zuschriften und mit Social Media ist das ja auch deutlich mehr geworden, als es jemals war. Jenseits dieser eher abstrakten Formen, ist es unerlässlich für Menschen, die für Kinder arbeiten, analogen Kontakt zu haben, nenne ich das mal. Und wir gehen immer mal wieder in Schulen mit „Logo“, damit die Leute ein Erklärstück, was sie gemacht haben und von dem Sie vielleicht denken das ist super einfach, einer vierten Klasse vorführen und sich ein direktes Feedback holen darüber, was ist verstanden worden und was nicht. Aber ich empfehle auch wirklich allen, die hier arbeiten, wenn sie jetzt keine Kinder im direkten Umfeld haben, den Kontakt zu suchen über Drehs hinaus, wo man Kinder ja auch trifft, aber über Drehs hinaus und immer mal wieder zu sprechen und zu hören, damit man weiß, wo man unterwegs ist. Klar, es gibt auch Medienforschung, und es gibt Personae, an denen man sich orientieren kann, die wissenschaftlich ausgearbeitet sind. Das ist alles super, aber den direkten Kontakt und das direkte Gespräch kann meiner Ansicht nach nichts ersetzen.

Inka Kiwit: Ja, wir haben jetzt gerade bei KiKA einen Kinderredaktionsrat etabliert, seit längerer Zeit. Habt ihr das bei „Logo“ auch oder ist das eventuell sogar angedacht?

Eva Radlicki: Wir haben es derzeit nicht, das heißt aber nix. Ich finde es super, dass es das bei KiKA gibt. Und ich glaube tatsächlich wichtig ist, dass man die Gruppe auch immer mal - oder einzelne Kinder aus der Gruppe - immer mal wieder austauscht, weil die sind echt schlau. Die wissen ziemlich schnell und sehr genau, was so diese Redakteurinnen und Redakteure hören können und was sie interessiert.

Inka Kiwit: „Logo“ ist ja mit über 60.000 Followern auf Instagram vertreten, auf TikTok noch nicht. Warum eigentlich nicht?

Eva Radlicki: Noch nicht, weil wir Mitte September wahrscheinlich mit einem TikTok-Angebot starten, wenn alles so läuft, wie wir das gerne wollen. Und das wird aber anders sein als das, was wir in der normalen Sendung machen.

Inka Kiwit: Kannst du schon ein bisschen mehr verraten?

Eva Radlicki: Ja, es wird humoristisch sein. Es wird sehr darauf ausgerichtet sein, wie Kinder fragen. Und wir haben das Glück, dass wir eine junge Journalistin in der Redaktion haben, die gleichzeitig Schauspielerin ist. Die wird der Host des Ganzen sein. Und von der Stimmung und der Haltung her ist es, wir nehmen uns selbst nicht ganz so ernst, wir können auch mal über uns selber lachen, wir unterbrechen unsere Erklärung - also Erklärung werden da auch vorkommen - wir unterbrechen unsere Erklärung aber auch mit Fragen, die Kinder vielleicht in dem Moment tatsächlich stellen würden. „Hä, wieso finden die das cool?“ Solche Sachen… Sind da noch in der Testphase. Es sieht sich aber lustig an, und ich bin sehr, sehr gespannt, wie das funktionieren wird.

Inka Kiwit: Ich auch, werde ich mir einen Reminder stellen auf Mitte September.

Eva Radlicki: am 12.9. soll es losgehen, vorrausgesetzt dass wirklich alles klappt, was wir hier gerade in Vorbereitung haben.

Inka Kiwit: Alles klar. Eva, auf welchem Ausspielweg siehst du denn die Kindernachrichten in der Zukunft?

Eva Radlicki: Wenn ich eine Glaskugel hätte - aber ich habe keine Glaskugel - dann könnte ich das möglicherweise sagen. Ich bin ja auch kein Digital Native in meinem Alter und habe keine Ahnung, wie sich all diese Medien in Zukunft weiterentwickeln werden. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, und das ist ja auch kein Geheimnis, dass es vielleicht nicht mehr Fernsehen ist, sondern sehr viel mobil auf ganz kleinen Geräten. Ob das immer noch Smartphones sind oder dann ganz andere Sachen… man weiß es nicht. Aber ich glaube, dass es erstens mehrere Ausspielwege sein werden und nicht ein Hauptausspielweg. Und das es eher eine sehr mobile Nutzung ist als die: Man setzt sich als Familie zu Hause vor einen Fernsehapparat und das ist Uhrzeitpunkt und dann schaltet man ein und dann guckt man was. Das ist ja heute schon nicht mehr so.

Inka Kiwit: Ja, und wenn es jetzt etwas geben würde, was du lieber heute als morgen in der Berichterstattung für Kinder umsetzen oder verändern wollen würdest, gibt es da was?

Eva Radlicki: Ich finde es super, dass es KiKA gibt und ich finde es super, dass es „Logo“ und damit Kindernachrichten für Kinder gibt. Aber ich würde mir wünschen, dass Kinder in der breiten Berichterstattung für Erwachsene viel häufiger mitgedacht würden.

Das heißt nicht, dass sie unbedingt direkt die Zielgruppen dann sind, die das sich angucken sollen. Aber dieses Mitdenken: Was macht es mit Kindern? Das fände ich großartig, wenn das häufiger stattfinden würde. Ich merke, dass das passiert. Also wenn man zum Beispiel von Frau Eigendorf die Berichte sieht, die sie aus Afghanistan gemacht hat, als die Taliban dort wieder mächtig wurden. Da waren auch Kinder dabei und sehr berührende Gespräche, die sie mit Kindern hatte. Aber es ist nicht die Norm. Und das fände ich toll, wenn es das in Zukunft mehr gäbe. Einfach im Sinne: Wir gucken auf das ganze Dorf. Wir gucken nicht nur darauf, was ein Ereignis mit Erwachsenen macht.

Inka Kiwit: Lass uns mal kurz auf die letzten Jahrzehnte gucken. Du hast sie, glaube ich, die wie keine andere miterlebt. Es hat sich aus medialer Sicht total viel geändert. Die Schnelligkeit an Informationen online zu gelangen, steigende Anzahl an Content-Anbietenden, schnelleres Sprechtempo in Beiträgen. Es kann ganz anderes Weltwissen bei Kindern vorausgesetzt werden - Das hast du auch mal in einem Interview gesagt. Ich könnte jetzt noch ganz lange so weitermachen. Aber mal aus deiner Erfahrung heraus: inwiefern wird sich denn - jetzt wieder in die Zukunft gedacht - deiner Meinung nach die Rezeption von Nachrichten bei Kindern weiter verändern?

Eva Radlicki: Wovor ich ein bisschen Angst habe ist, dass auch Kinder in Blasen verschwinden, in denen Realitäten entstehen, die wenig mit der Wirklichkeit zu tun haben. Und ich weiß ehrlich gesagt auch nicht so ganz, wie man sie davor bewahren kann. Also wir versuchen das in der Berichterstattung immer wieder - und nicht nur bei „Logo“, sondern auch bei „PUR+“ und in anderen Sendungen - sozusagen zu lernen, wie Medien funktionieren oder zu erklären, wie Medien funktionieren, zu erklären, wieviel Fake-News es gibt, wie auch Hass im Netz entsteht und plötzlich dann Wahrheiten da stehen, die gar keine sind, auch Beweise geliefert werden, die, wenn man genau hinschaut und sie prüft, keine sind. Also ich befürchte, dass da zunehmend mehr Glaube an Fake sein wird - auch bei Kindern. Weil warum sollten die anders sein als die Erwachsenen? Und auch hier, wenn es da einen Wunsch für die Zukunft gibt: Das Fach Medienkompetenz an Schulen jenseits von dem, was Kinder zuhause bei ihren Eltern lernen, fände ich unfassbar wichtig in diesen Zeiten - auch im Hinblick auf den demokratischen Dialog in der Gesellschaft.

Inka Kiwit: Dann frage ich auch nochmal: Was glaubst du, wird sich denn zu 100 Prozent nicht verändern in der Kindernachrichtenwelt? Was wird auf jeden Fall bleiben?

Eva Radlicki: Was sich nicht verändern wird Ist, Kinder kriegen mit, was um sie herum passiert und sie bekommen auch mit, wie relevant Erwachsene das finden. Wieviel Sorgen sich Erwachsene darüber machen und dann wissen zu wollen - genau wissen zu wollen - Was ist das? Ich möchte das gerne verstehen. Das wird sich meiner Ansicht nach nicht verändern. Das war ja, als wir mit „Logo“ angefangen haben, immer so das Thema: „Lasst doch die Kinder in Ruhe. Lasst sie doch mal spielen. Was brauchen die denn jetzt noch Nachrichten.“ Und den Satz kann er ja im Schlaf, mehr als im Schlaf schon sagen: Kinder kriegen mit, was auf der Welt passiert. Und sie haben Fragen dazu. Und wenn ihnen diese Fragen niemand beantwortet, dann haben Kinder Angst und nicht, weil man ihnen ihre Fragen beantwortet.

Inka Kiwit: Also wenn ich hier so zuhöre, dann… Was auf jeden Fall bleiben wird ist, „Logo“ oder Kindernachrichten vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Qualitäts-Flaggschiff vielleicht? Qualitätsjournalismus für Kindernachrichten als Anker? Das könnten wir schon so unterschreiben. Das wird zu hundert Prozent bleiben, auch in der Zukunft, richtig?

Eva Radlicki: Das denke ich schon. Und ich denke aber auch, dass es die anderen Angebote genauso braucht. Das hat nicht nur damit zu tun, dass es auch bei mir in der Redaktion noch andere Sendungen gibt außer „Logo“, die ich auch extrem wichtig finde, sondern dass Nachrichten natürlich schon etwas sind für das… Was man auch lernt.
Also auch Kinder, die wissen, meine Eltern schauen regelmäßig Nachrichten oder sind in irgendwelchen Online-Portalen unterwegs, wo es Nachrichten gibt, haben das als ihre erste Seite installiert. Also, wo es sowas gibt wie, eine Erziehung hin zu dem: Man interessiert sich für das, was auf der Welt passiert, gibt es ja auch viele Kinder und Jugendliche die das von zu Hause gar nicht so kennen, weil das auch nicht mehr so üblich ist. Also als ich angefangen habe bei „Logo“ als Hospitantin, war das relativ normal, dass man abends um eine bestimmte Uhrzeit oder auch im Radio die Nachrichten gehört hat, geguckt hat. Und das ist heute gar nicht mehr so. Und es gibt mit Sicherheit auch sehr viele Kinder, die das von zu Hause gar nicht kennen. Und für die braucht es ja auch Angebote.

Inka Kiwit: Ja, das finde ich spannend. Wie ist denn das eigentlich mit „Logo“ und generell bei KiKA von ARD und ZDF erreichen wir ja, ich glaube, das kann ich schon so sagen, eher Kinder aus gutbürgerlichen Haushalten. Was macht ihr denn in der Redaktion oder vielleicht sogar beim ZDF, in deiner Verantwortung, um wirklich alle Kinder erreichen zu können?

Eva Radlicki: Was ich besonders wichtig finde, um sie alle zu erreichen ist, dass sie in den Sendungen überhaupt vorkommen. Dass wir nicht, wenn wir Kinder für Interviews suchen oder für die WG oder für ein neues Format, was wir jetzt machen, wo es um „Young Crime“ geht, dass diese Kinder und Jugendlichen nicht alle, ich sage jetzt mal so salopp, aus dem bekannten Umfeld kommen, Freundinnen und Freunde der eigenen Kinder sind, oder Kinder sind, wo die Mama Lehrerin ist und der Papa auf der Bank arbeitet. Sondern dass wir tatsächlich gucken nach Eltern aller Berufsgruppen - also nach Kindern mit Eltern aller Berufsgruppen. Dass wir gucken von Ost nach West und Süd nach Nord. Dass wir gucken, Land und Stadt - dass wirklich alle Kinder sich selbst auch wiederfinden in den Formaten. Das haben wir bei „stark“ - das ist ja die kleine Doku-Reihe, die wir haben - lege ich da ganz großen Wert drauf. Ich lege da auch Wert drauf, dass viele Kinder vorkommen, die migrantische Wurzeln haben. Und dass das ganz selbstverständlich erzählt wird. Dass es nicht darum geht: Oh, sie ist aus Afghanistan und macht das und das, sondern dass sie einfach genauso ihre Geschichten erzählen, wie Kinder ihre Geschichten erzählen, deren Urgroßeltern schon in Köln gewohnt haben. Das finde ich super wichtig, denn wer sich selbst bei uns nicht findet, der kann natürlich auch zurecht sagen: Geht ja gar nicht um mich. Warum soll ich denn das angucken?

Inka Kiwit: Das heißt, damit tragt ihr ja schon quasi zum Abbild einer diverseren Gesellschaft bei. Wie ist denn das bei euch intern bei der Themenauswahl, beim Moderationsteam vielleicht oder im Redaktionsteam selbst? Legt ihr da besonderen Wert auf Diversität. Oder wo hat es Nachholbedarf sogar?

Eva Radlicki: Also ich behaupte für mich, das ich in meiner Leitungsfunktion darauf immer schon einen ganz großen Wert gelegt habe. Und ich finde es auch super, dass die Diskussion so angezogen hat. Das heißt aber nicht, dass wir hier eine wild divers, durcheinander gemischte Redaktion wären.

Inka Kiwit: Kurzer Einschub von mir an dieser Stelle: Im Nachgang ist Eva nochmal genauer auf die Diversität im Moderationsteam eingegangen. Deswegen klingt die Sprachqualität gleich ein bisschen anders. Aber da war eine sehr spannende neue Information dabei, die ich nicht vorenthalten wollte. Danach geht es dann weiter im Gespräch.

Eva Radlicki: Was die Diversität bei den Moderatorinnen und Moderatoren angeht: Da sind wir, was „Logo“ betrifft, zumindest was das Geschlechterverhältnis angeht, ausgeglichen. Was die Herkünfte angeht, lässt sich da sicherlich noch einiges schrauben. Bei „Logo“ haben wir Sherif und auch Maral wird demnächst als fünftes „Logo“-Gesicht die Diversität im „Logo“-Team erhöhen.

Inka Kiwit: Mal generell gefragt, Eva - als Medienschaffende: Fällt ihr irgendwas ein, wie wir dazu beitragen können, dass Kinder endlich mal eine richtige Lobby bekommen. Sie haben ja keine.

Eva Radlicki: Wir als Medienschaffende dürfen nicht nachlassen, es immer wieder anzumahnen. Und auch in unseren Anfragen - an Expertinnen, Experten, Politikerinnen und Politiker – sagen: Nein, es ist nicht nur niedlich, sondern es ist absolut ernsthaft und wichtig. Wir brauchen sie in ihrer Kompetenz im Dialog mit den Kindern. Also, insofern sehe ich das schon als eine Aufgabe an, nicht nur für Kinder Bericht zu erstatten in den unterschiedlichen Sendungen, sondern eben auch denjenigen, mit denen wir zu tun haben, immer wieder ihre Verantwortung klarzumachen.

 

Inka Kiwit: Eva, am Ende der Folge holen wir immer Visionen und Wünsche ein. Was ist denn deine Vision für ein kindgerechtes Nachrichtenangebot in der Zukunft?

Eva Radlicki: Das Verrückte ist, dass ich jetzt sagen würde - aber vielleicht liegt es daran, dass ich so sehr mit „Logo“ verbunden bin - dass da gar nicht so viel Neues passieren muss. Ich finde es ganz lustig. In den Niederlanden laufen die Kindernachrichten direkt vor den Erwachsenennachrichten. Wir machen zuerst das einfacher für Kinder und dann kommt es nochmal ein bisschen komplizierter für Erwachsene. Und dann kann die ganze Familie darüber sprechen. Und da eine größere Nähe zu haben - jenseits dass ich es super finde, dass es für Kinder extra auf KiKA das „Logo“ gibt - aber da eine größere Nähe herzustellen. Das ist eine meiner Visionen.

Inka Kiwit: Was ist denn dein persönlicher Wunsch an die Generation Alpha? Was wünschst du dir für sie?

Eva Radlicki: Ich bleibe noch einmal bei den Medien. Ich fände es auch bei denjenigen, die Bewegtbild für Kinder herstellen, total super, wenn jeder einen Teil seiner Arbeitszeit fürs Kinderprogramm arbeiten würde. Ich glaube, dass auch das was verändern würde

im Hinblick auf die Zielgruppe generell. Denn wenn man mal zwei Jahre lang Kinderprogramm gemacht hat und geht dann wieder zurück in die Welt der Erwachsenen, dann geht man in diese Welt mit einem anderen Blick zurück. Und das fände ich gut. Und wenn ich jetzt schon bei den großen Visionen bin, dann fände ich das generell gut, dass alle Erwachsenen in allen Berufen quasi verpflichtet werden, einen Teil ihrer Lebensarbeitszeit für Kinder oder mit Kindern zu arbeiten. Wenn die alle, der Investmentmanager oder die Brückenbauerin einen Teil ihrer Lebensarbeitszeit verpflichtet wären, mit oder für Kinder zu arbeiten. Das würde die Gesellschaft, glaube ich verändern. Das fände ich super.

Inka Kiwit: Sagt Eva Radlicki, Leiterin der Kinderinformationsprogramme des ZDF und unter anderem verantwortlich wie die Kindernachrichten-Sendung „Logo“. Vielen lieben Dank für das tolle Gespräche, Eva.

Eva Radicki: Vielen Dank auch. Es hat mir Spaß gemacht.

Inka Kiwit: Also, kurz Revue passieren lassen. Eine Sache ist mir besonders hängengeblieben im Gespräch, die ich ja fast schon als Arbeitsauftrag mit in unserer Redaktion nehmen werde. Wo auch immer es geht, auf die Bedeutung von Kindern in unserer Gesellschaft aufmerksam machen und zu insistieren. Ihre Themen sind nicht einfach nur niedlich, sondern sehr ernst zu nehmen. Und natürlich auch da, wo es geht in den Formaten, nach einem echten, gleichberechtigten Dialog zu suchen. Eines ist aber klar geworden: In einer Welt, in der Informationen überall, jederzeit und so geballt abgreifbar sind, werden Kindernachrichten wie „Logo“ für die Generation Alpha und auch die darauffolgenden Generationen weiterhin eine verlässliche journalistische Quelle sein, die Kinder für ihre Entwicklung zu informierten und selbstbestimmten Menschen einfach brauchen. Und das war's auch schon wieder mit unserer Folge. Wenn Sie bei unseren nächsten Folgen auch mit dabei sein möchten: Jeden Mittwoch, alle zwei Wochen gibt es eine neue Episode von „Generation Alpha - Der KiKA-Podcast“. Sie finden uns in der ARD Audiothek auf den gängigen Podcast-Plattformen, aber auch ganz einfach unter kommunikation.kika.de - das ist unser Kommunikationsportal, in dem es übrigens auch alle Transkripte der Folgen zum Nachlesen gibt. Mein Name ist Inka Kiwit. Bleiben Sie gesund und bis zum nächsten Mal. Ciao!

[Outro] „Generation Alpha - der KiKA-Podcast“

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