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Transkript zu Episode 23: „Plattformen sind eine Art Vermittlungsinstanz.“ Auf welchen Plattformen finden Kindermedien zukünftig statt? Darüber spricht Ann-Kathrin Canjé mit Medienethiker Jonas Bedford-Strohm.

„Das Spielen gehört einfach zum menschlichen Sein dazu“. Wie können wir heute schon Ideen entwickeln, die Kindermedien von Morgen mitgestalten? Wo liegen Chancen und Herausforderungen im Gaming?

Jonas Bedford-Strohm: Wenn man eben überlegt, bereits etablierte, funktionierende Marken und Spiele und Welten, die geschaffen wurden, die schon existieren, die auch eine hohe Nutzung haben und dort dann Bildungsinhalte reinzubringe. Das transformative Potenzial was da drinsteckt ist riesig, ist enorm. Und deswegen, das zu nutzen und es zu fördern finde ich eine fantastische Idee. Und deswegen es ist wichtig, dass wir die großen starken existierenden Ökosysteme in Spielen oder auch in sozialen Medien, dass wir mit denen reden, ja. Und dass wir nicht sagen oh, was das für eklige Plattform und die Nase rümpfen und sagen, mit denen wollen wir nichts zu tun haben.

[Intro] Generation Alpha - Der KiKA-Podcast

Ann-Kathrin Canjé: Hallo, schön, dass Sie reinhören in unsere neue Podcast-Folge mit mir, Ann-Kathrin Canjé. In dieser Episode beschäftigen wir uns mit der Frage, auf welchen Plattformen Kindermedien zukünftig noch stattfinden. Mein Gesprächsgast dazu ist Jonas Bedford-Strohm, seines Zeichens Theologe, Medienethiker und Transformationsstrategist bei der ARD. Und Jonas hat einen Doktor der Philosophie in der Tasche. Eine sehr interessante Mischung. In seiner Arbeit setzt sich Jonas mit Digitalität auseinander, hat sich in seiner Zeit beim Bayerischen Rundfunk, für den er auch gearbeitet hat, mit Strategien und Kommunikationsethik rund um Sprachassistenzsysteme auseinandergesetzt und ein Voice Team aufgebaut. Und der digitale Strukturwandel, der begleitet ihn in seiner beruflichen Laufbahn, weil Jonas daran arbeitet, eine strukturelle Transformation im Öffentlich-Rechtlichen mitzugestalten. Und wie alle Gäst*innen hat auch Jonas uns eine Zukunftsvision für die Generation Alpha mitgebracht.

Jonas Bedford-Strohm: Meine Vision fürs Digitale ist eigentlich, dass wir digitale Orte der intergenerationellen Gemeinschaft haben, die natürlich auch Räume für die verschiedenen Generationen jeweils selber haben können. Räume zur Entfaltung, zum Wachsen, zum Erfahren, die aber eben auch Zusammenhaltsqualität haben einfach. Und deswegen glaube ich, dass wir, um das zu erreichen, so eine starke, rein gemeinwohlorientierte Alternative auch zu den kommerziell organisierten Plattformen und Angeboten brauchen, dass wir eine neue Balance in die Plattformökonomie bringen müssen, indem wir als öffentlich-rechtliche eine wirklich fantastische Arbeit machen, um die Räume zu schaffen, zur Entfaltung, die digital gebauten Orte der Gemeinschaft irgendwie für diese Generation herzustellen.

Ann-Kathrin Canjé: Mit Jonas soll es in dieser Folge um die Frage gehen, welche Chancen und Herausforderungen etwa in Gaming und Sprachassistenzen liegen und welche Kindermedien in Zukunft relevant sein könnten. Wie können wir heute schon Ideen entwickeln, die die Kindermedien von morgen mitgestalten? Auf welchen Plattform wird die Generation Alpha überhaupt noch unterwegs sein? Und welche sind uns vielleicht heute noch gar nicht so bewusst? Ich freue mich sehr, dass wir heute im Gespräch sind, Jonas. Willkommen!

Jonas Bedford-Strohm: Hallo, schön dass ich da sein darf.

Ann-Kathrin Canjé: Ja, aus Amerika bist du gerade zugeschaltet. Ganz weit weg. Aber schön, dass das trotzdem klappt – digital. Und wir reden ja in diesem Podcast immer über die Generation Alpha. Die Generation, die Digitalität lebt. Wir zwei sind noch anders aufgewachsen und weil es in unserem Gespräch ja auch um Plattform geht, würde ich gerne mal einen Schritt zurückgehen. Was ist deine erste Erinnerung ans Internet?

Jonas Bedford-Strohm: Ja, also erstmal Langsamkeit. Ganz richtig viel warten. Quasi sich einwählen und dann macht es lustige Geräusche und dann irgendwie bist du irgendwann drin und du sitzt einfach die meiste Zeit. Also nur warten vor dem Bildschirm, bis sich irgendeine Seite aufgebaut hat. Das ist das eine, was ich damit verbinde. Und das andere ist, dass ganz am Anfang auch noch viel so Basiskomponenten und die Hardware eine große Rolle gespielt hat. Das heißt also wenn der Computer langsam war, hat man sich irgendwie in einen Arbeitsspeicher gekauft, um den Computer zu pimpen. Und irgendwann habe ich dann mit 14, 15, 16, habe ich mal einen Computer zusammengebaut, mit einem Freund zusammen. Und da waren wir noch viel mehr so in den Geräten drinnen quasi so. Und jetzt ist es eher so, dass sich ganz viel mit Software beschäftigt wird, weil eigentlich die Geräte so gut ausinnoviert sind oder so fertig verpackt sind, dass man auch nicht mehr so einfach da irgendwie drin rumbohren kann. Also so ein iPhone oder so traue ich mich jetzt auch nicht, einfach auseinanderzubauen und irgendwie zu pimpen, ja? Das heißt also, die Komplexität hat einfach so zugenommen, dass es eine ganz andere Art von Welt ist.

Ann-Kathrin Canjé: Und so, worüber wir gerade sprechen, Generation Alpha. Die denkt sich dann vielleicht, wir erzählen von was weiß ich nicht für alten Zeiten. Aber solange ist es auch nicht her und ich erinnere mich da noch auf jeden Fall auch, wie du schon erzählt hast, an das langsame Laden, auch in so einem kleinen Schreibtisch im Schlafzimmer meiner Eltern, wo dann das Modem standen, und diese ganz speziellen Geräusche, und dass ich da mal eine Stunde surfen durfte. Und später gab es dann auch so Plattformen, auf denen ich unterwegs war. Es war zum Beispiel „SchülerVZ“. Und über Plattformen wollen wir ja sprechen. Zum Einstieg würde ich gern mal wissen, was charakterisiert für dich heutzutage Plattform?

Jonas Bedford-Strohm: Also eine Plattform ist für mich eigentlich eine Art von Vermittlungsinstanz. Also erstmal Plattform - ich meine, wenn man sich das Wort anschaut, dann ist eine platte Form ist quasi irgendetwas, auf dem… eine offene Form, auf der man Dinge tun kann. Das heißt also, es gibt einen höheren Freiheitsgrad, quasi als wenn ich jetzt irgendwie auf den Fernseher gehe und irgendwie zappen kann. Eine Plattform hat viel mehr Interaktionsmöglichkeiten, und man kann als Nutzer selber Räume schaffen dort. Das heißt also, wenn wir uns soziale Plattform anschauen, dann sehen wir, dass wir dort irgendwie ein Profil kreieren können, Kommunikationswelten schaffen können, Marken aufbauen können und so weiter. Das heißt also ein höherer Freiheitsgrad für den einzelnen Nutzer auf der Nutzerseite, aber dann eben auch auf der Anbieterseite. Das eigentlich unterschiedliche Anbieter auch auf dieser Plattform eine Rolle spielen.

Ann-Kathrin Canjé: Und wenn wir jetzt als Medienanbieter an diese Plattformen denken. Vielleicht kannst du mal kurz definieren, was die für dich im Kern so ausmachen.

Jonas Bedford-Strohm: Also ich denke häufig, um die verschiedenen Profile von den unterschiedlichen Plattformen zu verstehen, versuche ich mir klarzumachen, was ist das analoge Äquivalent dazu? Snapchat ist ein gutes Beispiel. Als Snapchat rauskam - das Revolutionäre war, das verschwindet nach zehn Sekunden wieder. Und diese Idee, dass es einen Zuruf gibt, der nicht mehr vorgehalten wird. Also dass man einfach sagen kann, das ist so ein bisschen wie in der Schule. Wenn du irgendwie im Flur entlanggehst und so und grüßt ein paar Leute zwischen Tür und Angel und sagst hey sorry, ich muss gleich in die Stunde rein quasi, aber hi, wie geht's dir? Mir geht's gut, okay super. Also einfach diese kurze Interaktion, die so ein bisschen den Tag schön macht. Wenn du dann das aber vergleichst mit Facebook zum Beispiel, das ist so eine mehr öffentliche Kommunikation, das ist eine größere Gruppe. Das ist wie so der Dorfplatz oder Marktplatz, wo man auch mal ein privates Gespräch haben kann, was aber im Großen und Ganzen eigentlichen öffentlicher Raum ist. Und dadurch hat es einen ganz anderen Charakter als Snapchat. Und WhatsApp nochmal ist dann wieder ganz anders, wo du einfach eins-zu-eins.-Gespräche vor allem hast. Das heißt eigentlich geschützte Räume, geschützte Kommunikationsräume. Du bist mit einer Person in einem Raum und keine Ahnung, wenn du zuhause bist im Familienhaus, irgendwie so, du hast eine Freundin da und unterhältst dich irgendwie in deinem Zimmer privat. Aber dann kannst du natürlich auch Gruppen machen. Du kannst irgendwie, keine Ahnung, kannst eine Geburtstagsfeier organisieren und Leute reinholen und da hast du plötzlich eine Gruppe da in dem gleichen Kontext. Aber es ist eben ein bisschen ein anderer Charakter. Und ich glaube, wenn man sich diese Sachen klarmacht, dann versteht man auch als Medienanbieter: Wie kann ich auf dieser Plattform… Welche Art von Kommunikation ist angemessen? Und so hilft es mir einfach immer, dann auch strategisch darüber nachzudenken, welche Inhalte machen wo Sinn, weil man so ein bisschen so ein intuitives Gespür dafür bekommt, was die Plattform eigentlich machen soll?

Ann-Kathrin Canjé:Ja, das ist wirklich eine sehr hilfreiche Analogie, wenn wir überlegen, wie wir wo was erzählen wollen, als Medienschaffende. Und wenn wir auf die Generation Alpha schauen - Auf welchen Plattformen, würdest du sagen, sind die Kinder da heute besonders unterwegs von denen, die du jetzt zum Beispiel skizziert hast?

Jonas Bedford-Strohm: Ja, also, ich meine, das größte und wichtigste ist natürlich YouTube. Wenn wir uns so die Zahlen anschauen und jetzt einfach mal rein nach den Daten gehen, dann ist natürlich YouTube der Platzhirsch quasi. Und wir sehen ja auch das ganz viel Popkultur mittlerweile aus YouTube erwächst. Und klar, die Daten sagen, YouTube ist das größte, TikTok ist das zweitgrößte. Und dann kommt, je nachdem, welche Altersgruppe man genau anschaut, aber dann spielt irgendwann Instagram und Snapchat spielen mit. Interessanterweise Facebook eben nicht. Und ist ja schon, seit Jahren sagen wir jetzt alle, Oh Facebook sind nur die Alten. Das stimmt auch nicht ganz, aber es ist natürlich schon so, dass Facebook einen absoluten Generationenabbruch hat. Also das ist schon ein interessantes Phänomen, wenn wir so anschauen, früher waren junge Menschen - als wir jung waren - klingt jetzt schon so alt, aber, keine Ahnung, das ist jetzt zehn Jahre her oder so - da hatten wir alle Facebook und es war der Ort, wo wir uns irgendwie unterhalten haben. Und jetzt sind halt irgendwie nicht mehr so viele da. Und dann fragen sich junge Menschen in der gleichen Situation, wie wir damals sagen halt, ey was will ich auf Facebook? Also da ist keiner. Warum soll ich dahin gehen? Es ist wie ein leerer Marktplatz und was soll ich auf einem leeren Marktplatz? Quasi, ich gehe an die Orte, wo die Menschen sind. Und so zieht natürlich die Karawane irgendwie auch immer weiter. Und das ist schon spannend. Man muss eigentlich, regelmäßig muss man sich die Daten anschauen, um zu verstehen wo sind die jungen Menschen?

Ann-Kathrin Canjé: Wo sind die jungen Menschen? Das ist ein gutes Stichwort. Denn wenn ich jetzt so daran denke, wo die sind, dann bin ich schnell beim Thema Games. Bei meinen Neffen der Generation Alpha, da ist das gerade eher so etwas wie „Minecraft“ oder „Among Us“. Andere Menschen denken dann vielleicht an sowas wie Rollenspiele wie „World of Warcraft“ oder so etwas wie „Fortnite“, also sogenannte Ballerspiele. Was heißt denn für dich Gaming?

Jonas Bedford-Strohm: Ich denke darüber sprachlich erstmal: Was heißt Game? Das heißt „Spielen“ einfach. Und natürlich denke ich auch so ein bisschen an meine Zeit zurück, als ich die Dinge noch gespielt habe. Mein erstes Spiel war „Age of Empires“, und es war ein Strategiespiel. Das heißt einfach so ein Raum, der geschaffen wurde, wo ich mich ausprobieren konnte und Dinge bauen konnte, einfach irgendwie Welten erschaffen konnte und so. Und das sehen wir natürlich in manchen Spielen, die du gerade beschrieben hast auch. Und das ist einfach ein Möglichkeitsraum, wo man sich ausprobieren kann und Dinge bauen kann und experimentell quasi kreativ sein kann. Das ist das eine. Das andere ist natürlich auch, dass man gescriptete Spiele hat, wo man durch eine Welt hindurch genommen wird und man ist immer gespannt, was passiert als Nächstes. Also eher wie so eine Art Roman. Es ist schon ein, Storytelling, aber es ist eben gleichzeitig auch noch interaktiv. Es ist eine interaktive Form von Roman oder Film. Und das finde ich natürlich auch total spannend. Und dann gibt es eben irgendwie die verschiedensten Nischenspiele einfach, wo man entweder leichte Unterhaltung hat oder irgendeinen kleinen Skill irgendwie so sich entwickelt. Und das hat genauso sein Recht. Das Spielen gehört irgendwie einfach zum menschlichen Sein dazu. Und dass wir die digitalen Möglichkeiten dafür verwenden, ist ja auch völlig logisch, weil die Digitalität einfach so Teil von unserem Leben ist und so integriert ist in unserer Realität. Dass wir natürlich auch diese Formen nutzen wollen, um uns spielerisch zu betätigen.

Ann-Kathrin Canjé: Ja, und eben die Generation Alpha tut es vermehrt online. Du hast eben „Age of Empires“ angesprochen, ein Spiel, das du gerne früher gespielt hast. Und mittlerweile hat Microsoft da in der Version IV das Spiel mit so historischen Fakten und Dokumentationen, also reenactment von Geschichte, bereichert und dadurch soll ermöglicht werden, über die Figuren zum Beispiel auch historischen Kontext zu lernen und zu verstehen. Was hältst du davon Gaming-Plattformen auch zum Lernen auszuweiten? Hat das Potenzial? Ist da eine Chance für die Generation Alpha drin?

Jonas Bedford-Strohm: Ja, absolut. Das ist fantastisch. Es ist doch super einfach. Gerade dann, wenn man bereits etablierte reichweitenstarke Kontexte nutzt, um neue Aspekte reinzubringen. Und wenn man eben überlegt, bereits etablierte, funktionierende Marken und Spiele und Welten, die geschaffen wurden, die schon existieren, die auch eine hohe Nutzung haben und dort dann Bildungsinhalte reinzubringen. Das transformative Potenzial was da drinsteckt, ist riesig, ist enorm. Und deswegen, das zu nutzen und es zu fördern, finde ich eine fantastische Idee. Weil da wird man ziemlich schnell genau das Ergebnis bekommen, was man will. Und deswegen ist es wichtig, dass wir die großen starken, existierenden Ökosysteme in Spielen oder auch in sozialen Medien, dass wir mit denen reden. Und dass wir nicht sagen: Oh, was sind das für eklige Plattformen und die Nase rümpfen. Und sagen mit dem wollen wir nichts zu tun haben. Sondern sagen, Nein, genau mit denen müssen wir reden. Und genau hier müssen wir uns reinbegeben und wir können nicht einfach irgendwie so über den Dingen schweben oder so, sondern wir müssen diese Formen, die von vielen Menschen genutzt werden, mit denen müssen wir interagieren. Und wir müssen schauen, wie können wir diese Art von Inhalten dort realisieren.

Ann-Kathrin Canjé: Und das ist auch ein gutes Stichwort, weil ich finde es ganz spannend, Gaming oder Games als Plattform auch für eben diese Medienangebote zu denken. Und wenn wir da auch noch mal fokussieren und auf Medien-Kinder-Angebote weiter herumdenken, was fällt denn dir ein? Wie lässt sich vielleicht auch im Gaming etwas genau für diese Medien-Kinder-Angebote entwickeln?

Jonas Bedford-Strohm: Ich würde es ganzheitlich als ein Ökosystem irgendwie erstmal verstehen. Also dass das einfach unterschiedlicher Aspekte sind, die alle Teil von dieser Gaming-Kultur sind. Und da gehören Dinge wie Twitch zum Beispiel dazu. Einfach dass man eigene Streamingwelten hat, wo Menschen in Kontakt sind. Und ganz viel von Jugendkultur scheint mir auch über Twitch organisiert zu sein. Das heißt also, sich quasi nur mit irgendwie Facebook und Instagram auseinanderzusetzen, während man irgendwie Twitch nicht anschaut oder so, fände ich fatal. Es ist einfach wichtig, dass man im Plattformen-Mix einfach auch Plattformen drin hat, die - Twitch haben wir vorhin gar nicht erwähnt - aber Twitch ist natürlich eine ganz wichtige Jugendplattform und mein Gefühl ist, dass da die Bindung zu einzelnen Persönlichkeiten noch ein bisschen stärker ist als vielleicht auf YouTube. Dass einfach diese Livestreamingwelt, wo man einfach sich unterhält und auch eine gewisse Menschlichkeit einfach immer rüberkommt und es nicht einfach irgendwie kleine Bits, die irgendwie produziert sind, für irgendwie die perfekten Engagement-Raten oder so, die dann irgendwie wochenlang da irgendwie rumgeschnitten werden und dann irgendwie besonders authentisch aussehen sollen. Und Twitch, habe ich das Gefühl, hat einfach noch ein bisschen mehr Echtheit und es kann sein dass das irgendwann auch anders ist. Aber im Moment ist es eine sehr echte Plattform, ist natürlich gerade für Jugendliche besonders wichtig, wo einfach irgendwie jetzt nicht diese große institutionelle Inszenierung ist. Das bedeutet natürlich auch, wenn jetzt irgendwie zum Beispiel die Öffentlich-Rechtlichen alle sagen: Hey Twitch, da sind Jugendliche, da gehen wir jetzt volle Pulle rein und dann verändert sich natürlich auch die Plattform dadurch. Das heißt also, der Charakter ist nie in Stein gemeißelt, sondern es ist immer irgendwie auch im Fluss. Und ich glaube, dass wäre was für Medienanbieter natürlich, wo man sich sehr klar Gedanken darüber machen kann, weil es so nah ist an den bekannten Formen, die man als Medienanbieter sonst so hat. Und dann hat man natürlich irgendwie Formen, die integriert sind in die Spiele. Und da ist natürlich schon eine spannende Sache auch die ganze Frage mit neun Non-Fungible Tokens, also NFTs, die irgendeiner Form quasi besondere Entitäten, die in diesen Spielen auch gesammelt werden können. Und da kann man sich natürlich auch Gedanken machen, was kann man mit NFTs machen als Medienanbieter, was in irgendeiner Form dem Gründungszweck des Mediums irgendwie wirklich gerecht wird? Und dann hat man natürlich irgendwie noch mal so die Frage mit diesen Skripted Dingen, wo irgendwie Bildungsinhalte zum Beispiel in „Age of Empires“ reingescriptet werden. Da kann man sich natürlich neue Partnerschaften überlegen. Man kann sich überlegen, welche Spiele haben Welten geschaffen, wo irgendwie meine Inhalte irgendwie eine gute Rolle spielen können und wo vielleicht irgendwie die Expertise sich so gut ergänzen kann, dass man gemeinsam einen höheren Wert schaffen kann. Und da habe ich jetzt noch nie irgendwie so ein richtig beeindruckendes Beispiel bisher gesehen. Deswegen kann ich nicht so richtig jetzt irgendwie ein Beispiel dazu nennen, oder so. Aber ich glaube, dass da Potenzial drinsteckt in neuen Arten von Partnerschaften mit Gaming-Anbieter, die vielleicht Lust haben, mal was auszuprobieren, was die Öffentlich-Rechtlichen interaktiver machen kann und das aber eben die Spieleanbieter mit Inhalten anreichern kann.

Ann-Kathrin Canjé: An dieser Stelle kurz zum Thema Games in der KiKA-Welt. Da passt auch die KiKA-Quiz App. Die gibt es seit 2022 als App fürs Tablett und für Smartphones. Und da können die Kinder im Mitspiel-Modus bei „Die beste Klasse Deutschlands“ (KiKA/hr/ARD) live mitraten und im Quiz Camp können Sie über Tausende Fragen zu dieser Sendung oder auch zum Tigerenten Club antworten. Und wenn sie dann mal reinschauen wollen wir verlinken ihn noch einmal die KiKA Game-Inhalte auf dem Kommunikationsportal. Wenn wir auf die digitale Gaming-Welt blicken, da gibt es ja viele auch berechtigte Ängste, was etwa Games oder Smartphones mit Kindern machen, etwa dass Spiele eben süchtig machen oder zu Realitätsverlust führen können. Von Jonas wollte ich wissen, wie er solche Kritik an Games einschätzt.

Jonas Bedford-Strohm:Also es gibt eine Kritik, die unberechtigt ist. Und das ist so, wenn sie formuliert ist als kurz gegriffene... Wenn man nur das anschaut, was direkt vor einem ist. Also man sieht zum Beispiel, jemand zockt die ganze Zeit „Call of Duty“ und ballert die ganze Zeit in der Welt rum und kommt nicht mehr aus einem Zimmer raus. Dann verstehe ich, dass man besorgt ist und das Spiel hasst oder irgendwie so als Eltern. Ich meine, wenn ich mir vorstellen, mein Sohn sitzt die ganze Zeit nur im Zimmer und ballert die ganze Zeit Leute ab mit seinem Headset drauf und ist irgendwie nur in dieser Welt drin oder so - Da wird es mir auch ehrlich gesagt mulmig. Aber das Spiel ist nicht das eigentliche Problem, sondern es hat einen Grund, warum die Möglichkeitsbedingungen dafür… Also man müsste schauen, was macht dieses Spiel für mein Kind, was in anderen Kontexten in der Form das Kind nicht erfahren konnte. Und ich glaube einfach, dass es dann irgendwie schon eine Art von Kompensationserscheinungen, und man muss sich irgendwie überlegen, was steht da dahinter? Und dann wird es ein sehr spannendes Gespräch. Dann kommt man nämlich, glaube ich, auch irgendwann recht schnell zu Lösungen und zu möglichen Erfahrungen, die vielleicht helfen können, den Weg aus diesen vier Wänden zu beschleunigen. Und ich glaube, so muss man eben irgendwie darüber nachdenken, das ist ein Beziehungsgeschehen. Es ist ein soziales Geschehen. Es ist ein psychologisches Geschehen. Es ist ein Geschehen davon, wie meine Hoffnungen, Träume, Bedürfnisse, Schmerzerfahrungen, Traumata wie alles was wir in kleinen Formen im Alltag die ganze Zeit erleben, die kommen alle in irgendeiner unguten Form zusammen und produzieren dann am Ende so ein und schlechtes Ergebnis. Aber jetzt einfach nur zu sagen, wenn jetzt dieses Spiel verboten würde, dann würde mein Kind keine Probleme mehr haben oder so, das halte ich für völlig absurd. Und da würde ich ihm würde ich persönlich empfehlen, dass man vielleicht die die Möglichkeitsbedingungen mal anschaut und sich überlegt, wie man gemeinsam mit dem Kind zusammen da wieder rauskommen kann.

Ann-Kathrin Canjé: Und was ich auch noch mal zusammenfassend so mitnehme, ist auch, nochmal an die Eltern gedacht und an die Kinder und das Verlieren in diesen Gaming-Welten, dass da dieser Austausch, vielleicht auch die Medienkompetenz oder dann in dem Fall Gamingkompetenz, die dann eben auch die Eltern vielleicht brauchen, ganz wichtig ist, um da auch zu verstehen: Was spielt mein Kind dann da eigentlich? Weil wenn ich jetzt auch an meinen Neffen denken, muss ich auch sagen, Minecraft habe ich auch nie gespielt und dachte auch erst, was ist das für ein Quatsch und habe es auch erst einmal abgewertet und mich da ein bisschen damit beschäftigt und auch die Vorteile erkannt. Und ich glaube, dass es ganz wichtig, so wie ich das gerade auch noch mal raus gehört habe bei dir.

Jonas Bedford-Strohm: Ja, also wie alle Menschen haben wir erstmal so ein bisschen Angst vor dem, was man nicht kennt. Und das einzige, was uns wirklich hilft darüber irgendwie hinwegzukommen, ist eine Haltung der Neugier. Und wenn man wirklich neugierig ist, wenn man ehrlich interessiert ist dran, was ist cool an diesem Spiel? Ich bin mir ziemlich sicher, dann findet man auch was. Und dann findet man plötzlich auch eine neue Beziehung mit dem Kind oder andersrum: Auch das Kind, wenn man sich überlegt, okay, meine Eltern hassen das, was ich da tue - ist ja auch irgendwie ein Scheißgefühl. Und das heißt, man kann auch als Kind dann sagen: Hey, schau mal, Mama, schau mal Papa, irgendwie so, das hier ist, was dieses Spiel so besonders für mich macht und warum hier was wirklich Besonderes passiert und auch dann die Eltern da einladen, da mit reinzukommen, quasi. Und dann kann durch Neugierde auf beiden Seiten entsteht das Besonderes, entsteht was Neues, was fast eine gute Qualität hat für beide, das in der Form in der kompletten Ablehnung irgendwie einfach nicht existieren kann.

Ann-Kathrin Canjé: Vielen Dank für deine interessanten Gedanken dazu und vom neuen Lernen: Wenn ich da an die zukünftigen Generation Alpha denke, da denke ich auch an das Thema Sprachassistenz, dass du eben auch schon mal mitgebracht hast. Smartspeaker - mein Neffe hat jetzt zum Beispiel so einen bekommen zu seinem zehnten Geburtstag. Was hast du denn bisher in deiner Arbeit so gelernt über den Einsatz von Sprachassistenz in den Medien?

Jonas Bedford-Strohm: Also ich glaube, bei den Sprachassistenten ist grundsätzlich noch einmal hilfreich, dass man sich so einen Grundgesetz von Technologie klarmacht, dass einfach kurzfristig eine Technologie immer überschätzt wird und langfristig unterschätzt wird. Und ich glaube, dass es eigentlich so ein bisschen, was uns vielleicht auch bei den Sprachassistenten passiert. Zumindest mir, als ich vor fünf, sechs Jahren anfing, mich mit den Sachen zu beschäftigen. Und da waren die Dinge noch gar nicht so richtig auf dem Markt. Das war noch ganz, ganz frisch. Wir haben uns die Sachen da immer so aus den USA geholt, um daran ein bisschen zu experimentieren mit.

Und dann waren wir Launch-Partner damit und haben viel darüber nachgedacht: Was kann man damit machen? Und da waren so ganz viele große Ideen gleich damit. Wir machen es jetzt super interaktiv, und die Menschen werden irgendwie so ganz beeindruckt sein, was wir da für ganz besondere neue Erfahrungen schaffen. Und dann merkt man: Hä warte mal. Unsere Marken sind ja in dem Fall Radiomarken und die meisten Menschen, die wollen eigentlich vom Radio, die wollen Klick machen und dann Radio hören. So ist es Basisbedürfnisse bei Radio und so sind unsere Marken auch aufgeladen. Und wenn wir da jetzt ankommen mit: Wir machen jetzt sowas super kompliziert, ist eine fantastische Erfahrung und so - Da denkt kein Mensch dran: Okay, wenn ich BAYERN 3 oder SWR3 oder NDR Info oder so hören will, dass ich da jetzt in so einer komplexen Content-Welt lande. Nein, die wollen halt einfach nur ihr Ding hören. Und da habe ich das erste Mal gemerkt, was es bedeutet, die Erwartungen nicht zu treffen und da habe ich also so ein bisschen gemerkt: Okay, das wird im ersten Schritt überschätzt. Man glaubt, damit kann man jetzt alles Krasses machen. Aber am Ende bringt es keinem was und dann werden die Leute ganz frustriert, und dann sind sie so, okay, das bringt alles gar nichts. Und das heißt, es wird dann langfristig eben unterschätzt. Und ich glaube, da muss man schauen, dass man sich nicht von seiner ersten negativen Erfahrung gleich abschrecken lässt, sondern dass man sagt, ich bleibe am Ball und ich bin noch mal neugierig. Was kann ich vielleicht doch mit diesem Ding machen, was ich am Anfang dachte, was nicht klappt. Und das gleiche haben wir bei künstlicher Intelligenz. Die Erwartungen völlig überhöht, natürlich auch von den Marketingabteilungen angefacht. „KI rettet die Welt“ und was weiß ich was und dann kommen die Dystopen und sagen „Ne ne, KI zerstört die Welt“ und so. Aber alles ist in so völlig abgedrehter oder überdrehter mythologischer technologischer Sprache. Aber am Ende ist es halt einfach ein Werkzeug, es ist ein Datenverarbeitungsverfahren, was man natürlich für viele Dinge einsetzen kann und was langfristig natürlich schon einen großen Unterschied machen kann. Und ich glaube, da darf man eben kurzfristig darf man es nicht überschätzen und langfristig nicht unterschätzen. Dann kommt man, glaube ich, auf einen grünen Zweig, und ich glaube, das Gleiche im gilt eben nicht nur für die Sprachassistenten, sondern auch für viele andere Bereiche.

Ann-Kathrin Canjé: Es ist interessant mal so einen Einblick da auch in deine eigene Arbeit, die du ja dann beim BR vor dir hattest, zu bekommen. Was denkst du denn oder was sind da so deine Erfahrungswerte? Wie und wofür wird das aktuell von Kindern deines Wissens nach genutzt? Egal jetzt welche Art von Sprachassistenz.

Jonas Bedford-Strohm:Also Kinder spielen mit diesen Dingen einfach. Und zwar spielen heißt jetzt nicht, dass es ein Spiel ist, was sie nutzen, sondern sie spielen mit den Dingen, mit denen sie nicht spielen sollen. Das Spannendste für Kinder ist eigentlich immer nicht mit den Spielsachen zu spielen, sondern mit den Dingen, mit denen sie nicht spielen soll, zu spielen. Und genau das ist bei „Alexa“ natürlich immer wieder passiert, wo sie dann plötzlich auf Dinge kommen, auf die sie nicht kommen sollen. Und gerade das ist dann so ein Thrill, wo Kinder Spaß daran haben, die Alexa auszutricksen. Und man merkt es ja, wenn du ein Kind beobachtest, wie es interagiert mit der Alexa, dann sind die immer ganz besonders stolz, wenn sie die Alexa irgendwie überlistet haben oder so. Ich glaube, das ist eine spannende Sache zu beobachten, weil man daran sieht, wie die nächste Generation ganz natürlich mit so einer Technologie aufwächst und eben dann auch in einer de-mythologiesierten Art und Weise, weil die wissen, man kann die Alexa überlisten. Weil sie wissen, es ist eine Technologie, und deswegen ist es nicht mythologisch überhöht, sondern es ist einfach nur, es macht Spaß zu schauen, ob man sie austricksen kann. Und ich glaube, so kann man beschreiben, wie Kinder diese Sachen nutzen, ohne dass man jetzt irgendwie drei Apps oder so nennen kann, weil das ist vielleicht für Medienanbieter, ehrlich sagt, das schwierige an dieser Technologie ist das du eben viel, viel schwieriger eine Marke aufbauen kannst. Also, du hast ja eigentlich nur Sprache. Du hast ja kein visuelles Interface in irgendeiner Form. Das macht es natürlich für Medienanbieter viel, viel schwieriger, weil man eigentlich die Marke ja schon etabliert haben muss, damit die Leute überhaupt diese Frage stellen.

Ann-Kathrin Canjé: Aber kennst du denn konkrete Kindermedieninhalte, die schon funktionieren via Sprachassistenz?

Jonas Bedford-Strohm: Ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht den ganzen Tag mehr auf Alexa verbringe und die ganzen verschiedenen Angebote alle studiere. Aber ich weiß aus meiner Zeit, als ich ganz intensiv daran gearbeitet habe, dass die Plattformen natürlich sehr, sehr vorsichtig sind, was sie für Kinderinhalte überhaupt reinlassen, weil sie natürlich Angst haben, dass die „Alexa“ dann dasteht als irgendwie so eine Kindervernichtermaschine. Also die sind sehr sehr sensibel was das angeht, was natürlich eine große Chance ist für uns, weil wir natürlich dann schon irgendwie, keine Ahnung, „Checker Tobi“-Podcast zum Beispiel oder Angebote, Inhalte, die glasklar für Kinder sind. Wir haben so einen Prototypen für „Anna und die wilden Tiere“ (BR) gemacht, wo wir so ein Interface geschaffen haben, wo man einfach das mal ausprobieren konnte. Und diese verschiedenen Inhalte, die haben eine große Chance, angenommen zu werden oder lizensiert oder zertifiziert zu werden, als Skill von Alexa, weil sie natürlich so ein starkes Vertrauen haben. Und ich glaube, das ist das erste, was wir auf jeden Fall ausspielen müssen als Öffentlich-Rechtlicher, als KiKA -  ist natürlich, dass wir so ein diesen Vertrauensnimbus, den wir haben, auch tatsächlich auf diese Plattform bringen, um diese Plattform auch mit sinnvollen Kinderinhalten auszustatten.

Ann-Kathrin Canjé: An dieser Stelle darf ich verraten, dass KiKA aktuell überlegt, das Kikaninchen als Voice-App auf „Amazon Echo“ und „Google Assistant“ einzuführen, damit Kinder spielerisch und in einem geschützten Raum die „KiKANiNCHEN“-Welt entdecken können. Dabei soll den kleinsten der Generation Alpha so ermöglicht werden, erste Erfahrungen mit der Technologie über solche Anwendung eben zu lernen. Mal schauen, ob das in Zukunft realisiert wird. Es gibt auf jeden Fall eine erste qualitative Studie, die Hinweise liefert, dass bei Familien, in denen Smartspeaker sowieso bereits vorhanden sind, Fragen rund um den Datenschutz zwar entstehen, aber das kein Grund ist, sie nicht zu nutzen, sondern es braucht vor allem einen transparenten Umgang damit. Also so, wie Jonas im Gespräch erzählt hat, kann KiKA vielleicht hier ein vertrauenswürdiges Angebot in dem Bereich von Smartspeakern schaffen. Ich habe Jonas auch gefragt, ob er seinen Kindern denn so einen Smartspeaker ins Zimmer stellen würde und er meinte, dass er, das eher als gemeinsames Medienerlebnis für die ganze Familie schaffen würde, um so auch eine gesunde Medienkompetenz im Alltag zu trainieren. Ich bin gespannt, was daraus wird. Zurück zum Gespräch.

Ann-Kathrin Canjé: Neben dem Bewegtbild und Sprachassistenz. Wir blicken mal in die Zukunft: Was gibt es denn dann noch für spannende Medien oder Plattformen, die in deinen Augen die Zukunft der Generation Alpha vor allem auch bestimmen wird? Du hast jetzt eben schon mal auch Twitch angebracht, das wäre vielleicht sowas, aber genau: Was siehst du da in Zukunft für die Generation Alpha?

Jonas Bedford-Strohm: Ich bin natürlich total nervös, wenn du mir die Frage stellst, weil ich keine Ahnung habe. Ich habe keine Ahnung, ich weiß es nicht. Und das ist gerade das, was es so spannend macht. Also wenn wir jetzt in einem Business wären, wo wir ganz genau wissen, in drei Jahren wird folgendes XY so und so passieren, dann würde ich gähnend quasi vor Langeweile sterben, einfach. Und das Geile an unserem Beruf ist, dass wir keine Ahnung haben, was in einem Jahr passiert. Und wir dürfen einfach genau mit dieser Haltung von Neugier da einfach dranbleiben und schauen, wie verändert sich was? Und immer wieder nachfragen, ist es genau die Entwicklung, die wir uns überlegen oder ist es ist vielleicht doch ganz anders als das, was wir uns da gedacht haben? Und deswegen glaube ich, ist eigentlich meine Antwort: Ich weiß es nicht, und ich bin stolz darauf.

Ann-Kathrin Canjé: Aber wenn du jetzt doch mal in die Zauberkugel gucken könntest, was glaubst du überhaupt, ist ein Kindermedium in 25 Jahren.

Jonas Bedford-Strohm: Ich glaube, dass wir, ich sage es mal aus der öffentlich-rechtlichen Perspektive, auch mit so einem strategischen Blick. Wir müssen uns Gedanken darübermachen, wie können wir noch eine direkte Interaktion mit Kindern haben, die nicht vermittelt ist durch eine kommerzielle Infrastruktur? Und wenn wir sehen, dass lineares Radio und lineares Fernsehen in den jüngeren Gruppen kaum noch existiert - also zumindest Fernsehen ist tatsächlich in den jüngsten Gruppen wird immer weniger - Und wenn man die Zahlen unter 30 anschaut, dann sieht man das ganz, ganz viele - fast über 90 Prozent - schon Streamingdienste nutzen. Das bedeutet also, dass eine ganz andere Vermittlungsinstanz als unsere technologischen Funkmaste, die wir da irgendwie uns aufgebaut haben. Und deswegen müssen wir uns sehr sehr klar überlegen, was ist unser direkter Zugang, wo wir eine sehr sehr starke Marktbindung haben. Und da dürfen wir nicht versucht sein, dass wir nur Plattform nutzen, wo jetzt super viele Kinder drauf sind oder so, sondern dass wir uns auch wirklich überlegen, wie können wir selber eine Plattform aufbauen, die langfristig nachhaltig in Interaktion ist mit Kindern? Und da bedeutet es, dass wir einfach alle unsere Produkte besser machen müssen. Und wenn wir uns anschauen, oder ich habe es mir angeschaut bei meinem Sohn - der hat mit einem Jahr schon Spotify bedienen können oder auch YouTube. Und ich habe dann die YouTube-App gelöscht, weil ich dachte, das kann doch nicht sein. Ich schaue 30 Sekunden weg, und plötzlich schaust du dir deinen Winnie-the-Pooh auf YouTube an. Wie ist das denn passiert? Und da merkst du einfach diese... Ich würde sagen, von den Apps her Spotify, Netflix und YouTube - Die haben so ein unfassbar brillantes Interface, dass sie ganz genau wissen, wie das menschliche Gehirn funktioniert und wie man zu dem Ergebnis kommt, was man möchte. Und wenn ein einjähriger Sohn, wenn man irgendwie drei Sekunden wegschaut, schon diese App nutzen kann, dann muss man sagen, die haben ihre Arbeit schon echt richtig richtig gut gemacht. Und ich glaube, da müssen wir besser werden. Ich habe dann nämlich versucht, ihn so ein bisschen umzutrainieren und irgendwie zu sagen, okay du darfst irgendwie am Tag so und so viel ZDFtivi oder KiKA oder so irgendwie nutzen. Und da ist die Intuitivität noch nicht so gut und da müssen wir besser werden. Und wenn wir das hinbekommen - ich glaube, dann sieht ein Kindermedium vor allem sehr, sehr öffentlich-rechtlich aus. Und das ist einfach das Ziel, an dem wir arbeiten müssen. Dass wir, egal wie jetzt sich das Ökosystem insgesamt weiterentwickelt, dass wir auf jeden Fall unsere eigenen Zugänge zu den Menschen, die einfach wissen, diese Marke steht für exzellente Kinderinhalte. Egal, wie sich das jetzt weiter… ob das Video oder Audio oder irgendeine Form von Misch oder Interaktion oder Gaming oder so… Egal, wo man das macht, dass das Markenversprechen so stark ist, dass sie wissen, dem kann ich vertrauen. Sobald ich dieses Logo sehe oder diesen Sound höre quasi, weiß ich, ich kann ihm vertrauen, und ich kann mich kurz entspannen. Und das Kind darf irgendwie dies und das dann irgendwie schauen.

Ann-Kathrin Canjé: Ja, das ist auf jeden Fall glaube ich, ein wichtiger Appell an alle, die auch jetzt zuhören. Denn da haben wir glaube ich eine große To-do-Liste, die wir dann uns vorknüpfen können, um diese Ziele und Ideen, die du ansprichst, zu erreichen. Und jetzt sind wir ja schon in der Zukunft. Und in diesem Podcast haben wir uns auch in vielen Folgen Zukunftsszenarien der Generation Alpha angeschaut und Visionen formuliert. Deswegen auch an dich, Jonas, die Frage: Wenn du jetzt in die Zukunft blickst und auch an unser Thema von heute denkst, welche Vision hast du da für die Generation Alpha?

Jonas Bedford-Strohm:Also für mich ist es fast eine Inter-Generation-Vision, weil eigentlich ist das spannendste für mich, wenn die die Neugierde von den frischen Generationen mit der Erfahrung und der Ruhe und der Urteilskraft von der älteren Generation zusammenkommt, ich glaube, dann entstehen die spannendsten Sachen im Leben. Meine Vision fürs Digitale ist eigentlich so, dass wir digitale Orte der intergenerationellen Gemeinschaft haben, die natürlich auch Räume für die verschiedenen Generationen jeweils selber haben können. Räume zur Entfaltung, zum Wachsen, zum Erfahren, die aber eben auch Zusammenhaltsqualität haben. Und deswegen glaube ich, dass wir, um das zu erreichen, so eine starke, rein gemeinwohlorientierte Alternative auch zu den kommerziell organisierten Plattformen und Angeboten brauchen, dass wir eine neue Balance in die Plattformökonomie bringen müssen, indem wir als öffentlich-rechtliche eine wirklich fantastische Arbeit machen, um die Räume zu schaffen, zur Entfaltung, die digital gebauten Orte der Gemeinschaft irgendwie für diese Generation herzustellen. Und ich glaube, wenn wir das hinbekommen, dann sind wir in der Lage, die öffentlich-rechtliche Idee für die nächste Generation neu zu erfinden. Und wenn wir das schaffen, dann haben wir unseren Job gut gemacht. Und dann kann ich beruhigt schlafen.

Ann-Kathrin Canjé: Dann kommen wir noch zu meiner Lieblingsfrage zum Schluss, weil diese Vision, da müssen wir auch was für tun. Wenn du morgen dann eine Maßnahme umsetzen könntest für die Generation Alpha, was wäre das dann?

Jonas Bedford-Strohm: Ich würde mich einfach anstrengen, für Verständigung zu arbeiten, zwischen den Generationen, damit die erfahrene Generation, die jetzt an den Hebeln dieser Institution, der mächtigen Institutionen sitzen, dass die verstehen, was in den verschiedenen Plattformen, die Jugendliche und Kinder nutzen wollen, was da an Besonderem drinsteckt. Und in dem Moment, wo wir es hinkriegen, dass die Mächtigen, quasi die Alten, die Erfahrenen, die Großen, die Starken.. Wenn die verstehen, was für besondere Dinge quasi in den Erfahrungsräumen von Kindern drinstecken. Ich glaube, dann kommen wir zu gemeinsamen neuen Ideen, die wirklich einen Unterschied machen können. Und da haben wir natürlich bei uns jetzt in der ARD, haben wir die ARD Mediathek zum Beispiel. Das ist einer der großen Räume, wo für alle in der ARD quasi etwas Wichtiges passiert. Und dann müssen wir eben schauen, was brauchen Kinder in diesem Umfeld? Und wie können wir die ARD Mediathek besser machen, damit sie noch besser für Kinder funktioniert? Und da hat natürlich der KiKA eine große Rolle zu spielen. Und deswegen ist es toll, dass wir immer besser werden, auch im Produktmanagement untereinander, immer vernetzter arbeiten in der ARD, auch mit dem ZDF mittlerweile immer vernetzter arbeiten. Und ich glaube, dass da in Zukunft eine neue öffentlich-rechtliche Medienpraxis ist, die auf Partnerschaft beruht und die so ein Partner-Ökosystem schafft, wo man eben gemeinsame Plattformen baut, auf denen Räume für Kinder geschaffen werden können. Und ich glaube dann, wenn wir das hinbekommen, dann haben wir einen echten Schritt in diese Richtung gemacht, der Vison.

Ann-Kathrin Canjé: Ja vielen Dank Jonas für dieses spannende und ja auch irgendwie philosophische Gespräch. Dankeschön.

Jonas Bedford-Strohm: Danke dir.

Ann-Kathrin Canjé: Wieder eine beendete Folge. Und nicht nur das. Auch der Podcast neigt sich langsam dem Ende. Und für mich war das heute die letzte Folge von „Generation Alpha - Der KiKA –Podcast“, die ich hosten durfte. Und da habe ich heute im Gespräch nochmal ganz neuen Input in Sachen Plattformen mitgenommen. Zum Beispiel, dass ich mir den Bereich des Gamings und Plattformen wie Twitch nochmal genauer anschauen sollte und auch, wie hilfreich es sein kann, unsere digitalen Plattformen in analoge Räume zu übersetzen. Es hat mir in diesem Podcast wirklich große Freude gemacht, mit spannenden Gäst*innen gemeinsamen dieses doch etwas ominöse Wort Zukunft zu beleuchten und zu überlegen, was die Generation Alpha da braucht in der Medienwelt und was wir heute schon dafür tun können, Meine Gäst*innen haben wirklich spannende Ideen und Visionen mitgebracht. Ich erinnere mich da an die Forderung nach mehr Mitspracherecht der Schüler*innen an ihrem Unterricht in der Schule der Zukunft, einem Kinokultur-Ticket für Kinder und Jugendliche, damit sie kostengünstig Filme gemeinsam schauen können. Kinderrechte, die ins Grundgesetz verankert werden sollten, über mehr Freiräume und Testlabore für neue, zum Beispiel Humorformate, eine eigene Kategorie für Kinderfernsehen beim Deutschen Fernsehpreis, ein Aufwachsen der Generation Alpha frei von Vorurteilen, oder die Idee, dass Wissenschaftsformate ein Jahr lang von Mensch moderiert werden, die keine Cis-Männer sind. Meine Gäst*innen, das hat mich echt immer wieder gefreut zu merken, die sind der Generation Alpha im Gespräch, genau wie ich, so ein kleines Stück nähe gekommen. Und ich erinnere mich da auch noch an den Wunsch, dass es für die Generation Alpha ganz normal werden sollte, sich zum Beispiel psychologische Hilfe oder Beratung zu suchen, wenn sie es braucht. Und was ich auch mitnehme: Die Idee eines Knopfes für deutsche Gebärdensprache auf der Fernbedienung. Sie merken, da sind viele gute Ideen entstanden, und ich kann Ihnen nur empfehlen, in diese Folgen und natürlich auch die meiner beiden Co-Hosts Inka Kiwitt und Daniel Fiene nochmal reinzuhören. Sie finden alle Folgen auf dem KiKA-Kommunikationsportal, in der ARD Audiothek und auf allen gängigen Podcast-Plattformen. Wenn Ihnen der Podcast gefällt oder Sie Anregungen haben, schreiben Sie uns doch gerne an kommunikation@kika.de. Vielen Dank, dass Sie auch dieser Podcast-Folge gelauscht haben. Bleiben Sie gesund und bleiben Sie weiterhin neugierig, so wie ich auf die:

[Outro] Generation Alpha - Der KiKA-Podcast

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