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Transkript zu Episode 15: Ist Kino überhaupt noch etwas für die Generation Alpha? Margret Albers (Präsidentin der European Children's Film Association und Projektmanagerin beim Förderverein Deutscher Kinderfilm e.V.) und Alexandre Dupont-Geisselmann (farbfilm, Vorstand AG Verleih) sprechen mit Daniel Fiene über die Zukunft des Kinderkinos.

„Wir brauchen ein Zukunftsprogramm“ – um Kinder und Jugendliche in die Kinos zu bringen, um sie schon früh in die Filmentwicklung einzubeziehen und um Kinos zu attraktiven Orten zu machen. „Kinder müssen viel mehr als Partner, weniger als Konsumenten gesehen werden“, findet Margret Albers.

Margret Albers: Kino ist was Besonderes, aber es sollte kein Event sein, was so einmal im Jahr stattfindet. Da müssen wir jetzt nach der Pandemie auch ein Stück weit wieder hin, weil nach über zwei Jahren, also gerade für die jüngeren Kinder. Wer jetzt acht Jahre alt ist, war zu Ausbruch der Corona Pandemie eben noch nicht mal in der Schule. Und da ist jetzt eine Generation, die das Kino zum Teil noch gar nicht kennengelernt hat.

[Intro] „Generation Alpha – Der KiKA-Podcast“

Daniel Fiene: Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Kinobesuch? Für viele war das ein besonderes Erlebnis, das man nicht so schnell vergisst. Auf diesen riesigen Leinwänden haben sich gerade für Kinder Welten eröffnet, die sie fürs Leben geprägt haben. Aber ist Kino überhaupt noch etwas für die Generation Alpha? Schon heute nimmt das Kino eine Sonderrolle im Medienwandel ein, wie sie in dieser Episode hören werden. Wenn schon heute der Kinobesuch eher die Ausnahme ist, wird es das Kino in 25 Jahren überhaupt noch geben? Schauen wir uns das einmal an.

Daniel Fiene: Mein Name ist Daniel Fiene. Willkommen zu dieser neuen Podcast-Episode. Der Titel: „Eine Geschichte fürs Leben. Wie wichtig Fiktionales für Kinder ist.“ Und da hören wir schon raus, es gibt auch Gründe, warum es für die Generation Alpha und ihrem Nachwuchs richtig tragisch wäre, wenn das Kino einfach so verschwindet. Zwei Personen, die sich passioniert um das Kinderkino kümmern, sind heute bei uns zu Gast. Und genau darüber reden wir mit ihnen. Margret Albers steht für das Kinderkino wie keine andere. 20 Jahre lang hat sie das Kinder-Medien-Festival Goldener Spatz geleitet. Seit 2017 ist sie Präsidentin der European Childrens Film Association. Sie ist Mitglied in verschiedenen Jurys und Gremien. Sie ist auch die Initiatorin vom Förderprojekt „Der besondere Kinderfilm“. Originelle Kinderfilme sollen damit gefördert oder auch ermöglicht werden. Mit dabei sind 27 Partner*innen aus allen Bereichen der Film und Fernsehbranche. Auch KiKA ist mit dabei. Sie hat uns ihre Vision für das Kinderkino in 25 Jahren mitgebracht.

Margret Albers: Also ich wünsche mir, dass in 25 Jahren ein Kinobesuch nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist. Also nichts Besonderes. Das ist eine sehr lebendige Filmclub-Szene gibt, in denen Kinder und Jugendliche Filmprogramme für ihre Altersgruppe selbst mit kuratieren, schauen und diskutieren. Und ich wünsche mir, dass Film ganz selbstverständlich auch jenseits von Schulkinowochen in der Schule einen festen Platz hat.

Daniel Fiene: Auch mit dabei ist der Filmkaufmann Alexander Dupont-Geisselmann. „farbfilm-verleih“ heißt sein Unternehmen, und der Schwerpunkt des Verleihs liegt auch auf Kinder- und Jugendfilm. Alexander ist auch im Vorstand der AG Verleih. Das ist der Verband unabhängiger Filmverleiher. Für unser Podcast-Gespräch hat er auch seine persönliche Vision mitgebracht.

Alexandre Dupont-Geisselmann: Meine Vision, wo der Kinderfilm und 25 Jahren steht, ist eine positive Vision. Ich hoffe, dass wir eine viel größere Vielfalt haben werden, als wir es momentan haben. Momentan haben wir eine sehr starke Konzentration auf die Blockbuster-Filme. Viele tolle Filme werden sozusagen etwas vernachlässigt. Ich glaube, dass wir die Breite brauchen, um den Kinderfilm noch attraktiver zu machen. Die Kinder und auch die Erwachsenen oder die Familien sollten den Mut haben, diese Filme, gerade aus dem europäischen Raum, aber auch die deutschen Filme, mehr zu konsumieren. Und natürlich auch die Blockbuster.

Daniel Fiene: Margret und Alex, so hatten sich unsere beiden Gäste die Anrede gewünscht, kennen sich aus der Kinderfilmszene schon sehr, sehr lange. Deswegen habe ich mal zu Beginn versucht, dass sie auch etwas Neues über sich erfahren und wir natürlich etwas über das Kino. Ich habe sie gebeten, drei Filme aus der Zeit zu nennen, als sie das Kino kennengelernt haben. Einer dieser drei sollte der prägendste Film sein, den wir raten sollten. Fangen wir mal an, hier ist die Auswahl von Alex.

Alexandre Dupont-Geisselmann: Gut. Ich habe mir natürlich überlegt, welche drei Filme waren das? Ich habe das versucht, so ein bisschen altersmäßig für mich einzustufen. Der erste Film den man, glaube ich, in einem riesengroßen Kino sieht, ist immer der wichtigste, finde ich. Und für mich war das auch der wichtigste, weil ich saß in einem riesengroßen Kino und habe mir dort - jetzt darf auch wirklich keiner Lachen - es war nämlich die Wiederaufführung. Das heißt der Film war sehr viel älter, wurde dann aber noch einmal neu aufgelegt. Es war Walt Disneys „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ und ich saß in diesem riesigen Kino und war einfach nur ohnmächtig danach vor Glück. Der zweite Film, da war ich dann schon ein bisschen älter und sage mal so: Es war so eine Art „mein erstes Date Movie“. Und da bin ich also mit einer Begleitung ins Kino und habe mir „E.T.“ angeschaut mit dem Ergebnis, dass ich danach wie ein Schlosshund geheult habe. Das war ein bisschen peinlich. Und der dritte Film - da war ich sozusagen schon ein bisschen älter - aber dieser Film hat mir sozusagen die Welt des britischen Arthouse-Kinos eröffnet. Kein Mensch kennt diesen Film, aber ich fand ihn großartig: „Wilbur Wants to Kill Himself“.

Daniel Fiene: Vielen Dank. Margret, was würdest du sagen? Welcher Film hat Alex am meisten geprägt?

Margret Albers: Puh. Naja, die haben, glaube ich, alle auf sehr unterschiedliche Art und Weise geprägt. Aber ich glaube, dass „Willbur Wants to Kill Himself“ der am stärksten hängen gebliebene ist.

Daniel Fiene: Und was ist die Auflösung Alex?

Alexandre Dupont-Geisselmann: Es wird wahrscheinlich so ganz knapp „Willbur Wants to Kill Himself“ gewesen sein. Ganz klar. Ja.

Daniel Fiene: Warum?

Alexandre Dupont-Geisselmann: Weil es mich damals in einer Zeit sozusagen erwischt hat und wo ich natürlich auch erst mal viel Mainstream geguckt habe. Und dann gingen mit diesem Film - also natürlich vorher auch schon - aber bei diesem Film war dann irgendwann klar: Mich interessieren auch diese anderen Blickwinkel. Der Film spielt in Schottland und ist voll mit skurrilen Menschen. Und das hat mich dann doch schon in eine Richtung geprägt, die natürlich auch jetzt heutzutage noch mein Lieblingskino ist. Wes Anderson und andere Regisseure, die in diese Richtung gehen.

Daniel Fiene: Margret was sind denn deine drei Filme?

Margret Albers: Ja, ich bin relativ spät das erste Mal im Kino gewesen, aber das war auch ein ganz besonderes Erlebnis, weil es wahnsinnig voll war. Es gab eine Riesenschlange und mein Bruder war ein bisschen zickig, weil der seine kleine Schwester mit ins Kino nehmen musste. Die so lange gequengelt hat, aber alleine nicht gehen sollte. Und das war tatsächlich „Star Wars“. Dann einen Film, den ich leider nicht im Kino gesehen habe - erst viel später aber, der mich als Kind zutiefst beeindruckt hat - war die Verfilmung von „Die Brüder Löwenherz“. Und ein Film, was auch ein sehr besonderes Kinoerlebnis war als Teenager, weil ich nämlich ganz alleine in diesem Kino war, bis zur Hälfte des Films und dann kam jemand und hat sich genau hinter mich gesetzt. Und das war „A Nightmare on Elm Street“.

Daniel Fiene: Okay also, welcher Film hat Margret am meisten geprägt?

Alexandre Dupont-Geisselmann: Ich vermute ja, es war „Nightmare on Elm Street“, weil ich kann mich an die Situation erinnern. Ich habe mich dann genau hinter Margret gesetzt und dauernd in den Nacken gepustet. Nein, natürlich nicht. Ich vermute mal, ich vermute mal... also thematisch würde ich fast sagen „Die Brüder Löwenherz“. Aber ich glaube es war „Star Wars“, weil ich habe nämlich „Star Wars“ auch im Kino erlebt und danach saß ich noch drei Stunden im Kino und konnte mich nicht bewegen vor Glück. Also ich würde sagen es war „Star Wars“.

Margret Albers: Das war tatsächlich „Die Brüder Löwenherz“.

Alexandre Dupont-Geisselmann: Ja.

Daniel Fiene: Warum?

Margret Albers: Weil der, das war der erste Film, der mich so zutiefst berührt hat. Weil er halt mit dem Thema Tod und Abschied auf diese ganz besondere Art und Weise umgeht. Und das war eben ein Thema mit dem ich mich in dem Alter - ich weiß gar nicht, ich glaube da war ich so zehn/elf - das hat mich immens berührt. Und das war so mein erster Kontakt mit der großen Kraft, die Film haben kann. Also einen dabei zu unterstützen und zu begleiten, wenn man sich auch um die schweren Dinge des Lebens Gedanken macht als Kind.

Daniel Fiene: Ja, also hier haben wir Freundschaft, Familie, Identitätsfindung. Das sind so Themen, die ja in all den Generationen eine Rolle spielen und dann auch jeweils immer nochmal durch neue Filme wieder dann aufgelegt werden. Aber ich habe mich gefragt wie sieht es eigentlich denn heute abseits von diesen ähnlichen Themen im Kinderkino aus? Also bei mir ist es schon ein paar Jahre her. Also wie steht es aktuell um das Kinderkino? Gebt uns doch mal bitte ein Realitäts-Update.

Alexandre Dupont-Geisselmann: Ja, das Kinderkino… Also das Schulkino-Programm, was es in Deutschland gibt, ist schon großartig. Da werden wir auch von vielen Ländern sozusagen beneidet, weil wir natürlich auch als ein sehr großes Land in Europa auch ein richtiges Volumen haben, was dann an jungen Menschen, Kindern in diese Filme reingehen kann. Das ist schon mal eine gute Institution, um auch Kindern, die vielleicht nicht so oft ins Kino gehen können - von ihrem Hintergrund her, von ihrem Familiären - für die ist das dann immer ein Erlebnis. Und vor allem ist Kinderkino auch dazu da, dass die Kinder auch abseits von ihren Präferenzen oder auch den Präferenzen der jeweiligen Familien, die dann ja sozusagen auch die Filme aussuchen, andere Filme entdecken, über die Filme andere Länder entdecken, andere Charaktere entdecken. Das ist, glaube ich, ein wichtiger Faktor. Wir hören jedes Mal bei Schulkino-Vorstellungen: Wow, dieser Film war toll, den hätte ich mir aber sonst nie angeschaut. Und ich finde, das ist schon mal eine großartige Institution. Ansonsten sind wir gerade so ein bisschen verzweifelt im Kindermarkt, weil wir merken, es ist eine starke Fokussierung auf Blockbuster. Das kommt teilweise auch über die Eltern. Ich habe so ein bisschen den Eindruck - ich bin ja selbst sozusagen Vater und merke das auch so in unserem Umfeld - dass jedes Freizeit-Event, eben auch Kino, muss immer ein Riesen-Happening werden. Man kann es sich sozusagen und will es sich gar nicht leisten, dass ein Familien… oder ein Geburtstag oder Ähnliches irgendwie nicht super wird. Und deswegen habe ich so ein bisschen Angst, dass dadurch dieser starke Drang auf die Blockbuster kommt, obwohl es so viele tolle andere Kinderfilme gibt.

Margret Albers: Es hat sich ja doch schon einiges verändert. Ich glaube also, wir haben ja gerade über unsere Kino- und Filmerlebnisse gesprochen. Und wenn ich mir überlege: Also welchen Zugang zu Bewegtbild hatten wir in unserer Kindheit und Jugend? - Und das war das Fernsehen. Das war das Kino. Und das waren VHS-Kassetten. Das hat sich natürlich massiv geändert, weil heutzutage sind wir von Bewegtbild überrollt, mehr oder weniger. Wir haben mit unseren Smartphones und Streamingdienst-Zugang, haben wir Filmbibliotheken in unserer Hosentasche. Und das geht Kindern natürlich genauso. Das Kino ist schon lange nicht mehr dieser einzige Ort, wo man Filme entdecken kann. Das ist ein großer Vorteil, es hat aber auch Nachteile. Also Alex hat es ja schon schön beschrieben: Diese Eventisierung... Deswegen ist mein großer Wunsch eigentlich auch: Das Kino ist was Besonderes, aber es sollte kein Event sein, was so einmal im Jahr stattfindet. Sondern da müssen wir jetzt nach der Pandemie auch ein Stück weit wieder hin. Weil nach über zwei Jahren, also gerade für die jüngeren Kinder… Wer jetzt acht Jahre alt ist, war zu Ausbruch der Corona-Pandemie eben noch nicht mal in der Schule. Und da ist jetzt eine Generation, die das Kino zum Teil noch gar nicht kennengelernt hat und lernt es jetzt kennen über Blockbuster - Was cool ist, was schön ist, aber jetzt so für die nachwachsende Generation wieder stärker auf einen Zettel zu bringen, dass Film noch viel mehr sein kann als eben ein spaßiger Event. Das ist eine echte Aufgabe. Das hat sich total verändert. Also, welche Rolle Film in der, wollen wir mal so sagen, Mediendiät von Kindern hat.

Daniel Fiene: Aber schon heute ist die Welt deutlich komplexer als in unserer Kindheit. Für die Generation Alpha und ihre Kinder, glaube ich, wird die Komplexität vermutlich eher noch zunehmen. Was kann denn da der Kinderfilm leisten? Vielleicht auch so im Vergleichs zum YouTube-Clip?

Margret Albers: Diese Einzelnutzung hat ja auch ein bisschen den Nachteil - man ist immer nur mit sich selber allein man und unterhält sich dann vielleicht später mit Freunden noch mal drüber, aber ein gemeinsames Filmerleben und dann vielleicht noch den Luxus zu haben, danach ein Filmgespräch zu machen, ist einfach eine andere Dimension. Und man kann halt… Kino ist eine tolle Möglichkeit um Erfahrung in den Schuhen von jemand anders zu machen. Und gerade so in Zeiten von Echokammern und Bubbles habe ich den Eindruck, dass das Kino als gemeinschaftsstiftender Ort an Bedeutung gewinnt, um halt uns zusammenzuhalten.

Daniel Fiene: Am Anfang habe ich es schon erwähnt. Der Kinofilm nimmt eine Sonderrolle im Medienwandel ein. Alle Mediengattungen wissen: Filme sind im digitalen Zeitalter extrem wichtig. Egal ob Nachrichtenwebseite oder Radiosender. Sie suchen nach kurzen und langen Filmen fürs Digitale. Die Nachfrage ihrer Userschaft ist da. Und der Kinofilm, der besteht nur aus Bewegtbild, wünscht sich aber eine viel stärkere Nachfrage durch das Publikum. Das bekomme ich erst einmal nicht übereinander. Und ich habe erst einmal meine beiden Gäste gefragt, wie das überhaupt kommt.

Margret Albers: Also ich denke mal, wir haben jetzt ja auch nun zehn Jahre Erfahrung mit der Initiative „Der besondere Kinderfilm“, wo es ja darum geht, originäre Stoffe ins Kino zu bringen. In zehn Jahren sind zehn Filme gestartet, die alle eine sehr bemerkenswerte Karriere gemacht haben, was Publikumserfolg und auch Preise betrifft. Allerdings war die Kinoauswertung bis dato immer eine der schwächsten Säulen in der Gesamtauswertung. Sind dann im Fernsehen gut gelaufen, sind in der Schulkinowoche gut gelaufen, was ja auch zu den Kinozahlen trägt. Und da kommt eben tatsächlich, man mag es Binsenweisheit nennen, das sind relevante Filme. Also wenn ich jetzt an so etwas denke wie „Auf Augenhöhe“ - der auch einen Deutschen Filmpreis bekommen hat, liegt schon ein bisschen zurück jetzt - das sind relevante Filme, die beim Publikum gut ankommen. Aber die Binsenweisheit ist dann: Wenn ich nicht weiß, dass es diesen Film im Kino gibt, dann gehe ich nicht hin. Oder dann eben auch, wenn ich eine wohlwollende Kritik über einen Film irgendwo lese - online oder in der Zeitung - aber dieser Film läuft dann in der Startwoche nicht in der Stadt, in der ich bin. Dann habe ich ihn mit großer Wahrscheinlichkeit vergessen, wenn er dann in dem Kino gezeigt wird. Also es ist sehr komplex dann. Filme als Einzelstücke machen es manchmal dann der Zielgruppe auch schwer, im Kino aufgefunden zu werden. Weil wann sind die Kinderschienen? Die sind dann eben am Nachmittag, wie eben schon gesagt, viele Kinder sich noch in der Schule aufhalten. Oder ist es dann am Wochenende. Und ob da genau an dem Wochenende, wo ich Zeit habe, dieser besondere Kinderfilm, den ich mir ausgesucht hatte, weil ich so eine tolle Kritik gelesen habe, dass der dann in meinem Umkreis läuft und nicht 150 Kilometer entfernt. Das wird dann eine Aufgabe. Also dieses Matchen ist wirklich eine Herausforderung.

Daniel Fiene: Mir ist da aber auch noch ein weiterer Unterschied zu anderen Mediengattungen und dem Medienwandel aufgefallen. Denn die Kinobranche, die spricht ja über sehr viele Facetten rund um den Kinofilm aber vermeidet es über Veränderungen beim Produkt an sich zu reden. Also wie sich der Kinofilm vielleicht verändern müsste. Auch wir haben bisher nicht so darüber geredet, ob der Kinofilm an sich verändert werden sollte, um attraktiver für das Publikum zu werden. Ist es ein Tabu?

Margret Albers: Filme sind dann, also man könnte genauso fragen: Warum gibt es noch Romane? Film in seiner Erzählweise oder seiner Art, nimmt man den Neunzigminüter, oder man beklagt ja, auch Filme werden immer länger heutzutage. Also diese bestimmte Form des audiovisuellen Erzählens in einer Sitzung, weil das ist ja auch eben die Stärke eines Films gegenüber eines Romans. Man hat eine Sitzung, man nimmt sich einen bestimmten Zeitraum an einem Tag, hat die Einheit von Raum und des Ansehens eines längeren Stückes. Und von daher, man kann auch umgekehrt sagen: Sämtliche TikTok-Videos und alle anderen AV-Formate die wir kennen, sind aus Filmen hervorgegangen. Beziehungsweise der Film ist ja auch selbst als kurze Form angefangen. Das war ein boxendes Känguru, das war ein einfahrender Zug und Ähnliches. Also diese lange Form, also die verschiedenen Ausdrucksformen audiovisueller Art haben sich über die Jahrzehnte, oder die gut hundert Jahre die es jetzt Film gibt, ausdifferenziert. Und der Spielfilm, so wie wir ihn kennen, ist halt eine dieser Formen. Und wenn er sich verändern sollte, dann hat man halt etwas Anderes. Dann ist es kein Spielfilm mehr. Und ich finde es schon bemerkenswert, jetzt auch nach der Pandemie: Also eben dieser Erfolg, den die Blockbuster halt jetzt haben… Das ist ja auch die Sehnsucht nach Unterhaltung in schwierigen Zeiten. Zeigt ja schon, dass diese sehr klassische Form des Erzählens eine unheimlich große Kraft hat. Und von daher steht für mich der Spielfilm an sich gar nicht zur Disposition.

Daniel Fiene: Aber vielleicht gibt es langfristig ein Relevanz-Problem. Bei Boomer-Eltern hat das Buch ja auch noch eine ganz andere Rolle gespielt als bei den Millenial-Eltern.

Margret Albers: Das glaube ich nicht, weil auch der Buchmarkt, also ja alleine der Kinderbuchmarkt ist umsatzstärker, als der gesamte Kinomarkt in Deutschland. Das muss man sich mal überlegen. Und 50 Prozent der Kinder lesen mehrfach in der Woche ein Buch. 50 Prozent. Das ist ein Wert, der vergleichbar ist, also mit dem Fernsehen. Auch 50 Prozent der Kinder sehen noch lineares Fernsehen. Also in dieser extremen Fragmentierung, in der wir jetzt gerade sind - da so diese Grundsatzfrage zu stellen… ich denke mal, es wird sich vielleicht noch ein bisschen weiter ausdifferenzieren, aber die Relevanz, die diese Form des Erzählens hat, die bleibt bestehen, weil es etwas offenbar uns innewohnendes, eine Sehnsucht nach Auseinandersetzungen mit Welt, befriedigt.

Alexandre Dupont-Geisselmann: Wir hatten jetzt alle in der Pandemie natürlich, auch die Streamer, einen wahnsinnigen Zulauf. Aber jetzt merken wir gerade, dass der Zulauf nicht mehr so da ist, weil viele auch die Mediatheken durchgeguckt haben. Bei den Streamingdiensten zum Beispiel. Auf der anderen Seite merken die Streamer jetzt auch, dass es wahnsinnig teuer ist, permanent diesen high-quality Content zu delivern permanent, weil das ist die Erwartungshaltung für 9,90€. Also von daher. Ich glaube, es kommt immer wieder was Neues hinzu. Es geht was anderes weg. Aber irgendwo - da bin ich ganz bei Margret - es geht um das Geschichtenerzählen. Da sind wir jetzt bei der alten Metapher vom Lagerfeuer und mit den mit den Fellschürzen um die Hüften. Irgendeiner erzählt eine Geschichte und alle hören zu. Und das mit dem Büchermarkt kann ich auch nur sagen. Und es ist natürlich faszinierend: Es sind ja nicht nur die Blockbuster, die gut funktionieren, sondern auch die kleineren oder mittleren Kinderfilme oder Jugendfilme, die eine Buchvorlage haben, funktionieren auch überproportional stärker. Gerade in dieser Zielgruppe von jungen Menschen und Kindern, die Bücher lesen, haben wir ein starkes Potenzial, was immer noch nicht richtig ausgeschöpft ist. Da müssen wir eigentlich viel mehr machen. Da müssen wir viel mehr uns Ideen geben. Natürlich Margret - und da bin ich ja ganz bei dir - wir sind ja auch ein Verleih, der gerne originäre Stoffe sozusagen ins Kino bringt. Muss nicht jeder eine Buchvorlage haben. Aber mittlerweile gibt es auch Filme, die während ihrer Entstehung, dann sozusagen von einem originären Drehbuch, dann auch einen Buchvertrag machen. Und dann ist das Buch sozusagen ein Medium, das die Herausbildung des Films auch flankieren kann. Also von daher - ich glaube, wir sind wieder gerade mittendrin in einer Phase, wo viel ausprobiert wird, was ich gut finde. Und wir werden sehen, was dabei rauskommt. Ich glaube auch, dass der Film nicht sterben wird, weil das können wir uns gar nicht leisten. Das wird ja ganz langweilig dann.

Daniel Fiene: Im Vorfeld habe ich mit einer Mutter geredet und sie beschreibt ihre Familienrealität so: Dass neben den langen Schultagen gibt es für beide Jungs zweimal die Woche Termine, wo sie dann jeweils Fußball spielen wollen. Dann wollen sie natürlich auch noch einmal regelmäßig schwimmen gehen, sich mit ihren Freunden verabreden. Da ist es gar nicht so einfach, öfters mal auch einen Kinobesucher einzuplanen. Und dann ist es ja auch für eine Familie ganz schön teuer. Das hören sie bestimmt nicht zum ersten Mal. Aber schauen wir uns jetzt mal an: zwei Erwachsene, zwei Kinder, der Eintritt. Vielleicht auch nur zwei große Getränke, einmal Popcorn oder Eis. Für dieses ganze Geld konnten Familien früher mal in Freizeitpark gehen.

Alexandre Dupont-Geisselmann: Gut ist sag das mal so: Für das Geld geht man heute nicht mehr in einem Freizeitpark. Dafür muss man dann sozusagen schon auch viel mehr ausgeben. Diese beiden Argumente kann man nicht einfach wegschieben. Die sind komplett in der Realität drin. Die Familienplanung nimmt einen immer größeren Raum ein von Familien. Ich glaube ich, wir haben das auch. Ich habe zwei Jungs zu Hause, also von daher das Koordinieren von Stundenplänen, das Koordinieren von den Freizeitaktivitäten, dass ist in der Tat eine Stressform. Von daher denke ich, muss man auch Inseln schaffen, wo man als Familie dann auch gerne mal eine spontane Freizeitaktivität macht. Oder eben sich wirklich für was Besonderes mal entscheidend. Das ist definitiv das Kino. Man sitzt gerne auch mal zu Hause auf der Couch und schaut sich im Fernsehen den KiKA, aber auch vielleicht mal Netflix an. Und das gehört aber auch zur Realität dazu. Trotz allem, denke ich, muss man die Welt der Kinder offenhalten, trotz eines vollgepackten Wochenplans. Die Preise im Kino sind in der Tat für viele anspruchsvoll. Das muss man ganz klar sagen. Aber es gibt auch da, wenn man einfach schaut, wunderbare, wunderbare Möglichkeiten. Zum Beispiel die Familien-Previews, zum Beispiel der Cineplex Gruppe. Die sind immer mit Sonderpreisen ausgestattet. Es gibt Familientickets, aber ich kenne das Problem. Es gibt auch Kinos, wo ich am Verzweifeln bin an diesen Popcornpreisen. Und da muss man sich vielleicht mehr überlegen. Das gebe ich auch offen zu.

Margret Albers: Klar, das hat sich eben, das gehört auch in den Bereich der Dinge, die sich sehr verändert haben… Ganztagsschule, viele Freizeitaktivitäten. Also für viele Kinos ist natürlich eine Nachmittagsschiene mit Kinderfilmen nur noch wenig attraktiv, weil die Kinder einfach keine Zeit mehr haben. Alex hat das ja schon geschildert. Auf der anderen Seite ist es halt so. Alex korrigieren mich, aber ich glaube, wir sind aktuell bei durchschnittlich 1,3 Kinobesuchen pro Jahr und Person in Deutschland. Und das ist einfach verdammt wenig, also da zu überlegen, wirklich hin und wieder mal ins Kino zu gehen. Also es ist schon was Besonderes, das ist gar keine Frage. Aber es ist einfach vom Radar bei ganz vielen eben in der Mediennutzung oder der Mediendiät, wie immer man das nennen möchte, das Kino ist ein Stück weit verschwunden. Und das ist sehr betrüblich, weil es eben so ein besonderer Ort ist und vielleicht auch noch was das Kostenargument betrifft: Was angesichts der Kinopreise auch noch zu bedenken ist, dass es auf regionaler Ebene oder bundesweit gesehen mittlerweile sehr, sehr viele engagierte Kinderfilmfestivals und Kinderfilmwochen gibt, die halt dem jungen Publikum ermöglichen, eben jenseits des Mainstreams auch Kinderfilme zu entdecken. Und dort liegen die Eintrittspreise in der Regel auf weit unter den üblichen Kinopreisen.

Daniel Fiene: In meinem Beispiel eben, da ging es ja um Eltern, die sich ja schon sehr um die Freizeitgestaltung ihrer Kinder kümmern. Aber das ist ja gar nicht selbstverständlich. Wenn wir uns gerade mal auf die ganze diverse Gesellschaft schauen: Da gibt es auch Kinder, um die sich kaum gekümmert wird. Wie versucht ihr es denn auch schon heute, möglichst alle Kinder zu erreichen.

Margret Albers: Na, da ist der der Weg tatsächlich dahin: Wo gibt es dann eigentlich noch gemischte Gruppen von Kindern und wo erreicht man sie? Und es sind die Schulen, in der Regel sind es die Schulen. Und insofern sind die von Alex schon genannten Schulkinowochen extrem wichtig für Zugang. Aber ich glaube, da müssten wir uns auch noch neue Modelle überlegen. Und da kann man sich gegebenenfalls durchaus auch von anderen Playern inspirieren lassen, die da sehr aktiv sind was die sogenannten - also ich finde den Begriff immer so blöd, aber gut, das ist halt der, den man gerade benutzt - also die bildungsfernen Milieus besser anspricht. Und da ist zum Beispiel das Grips-Theater in Berlin, ist da wirklich vorbildlich. Also da werden teilweise Kinder persönlich von Theaterpädagogen zu Theatervorführungen abgeholt und Ähnliches - also um ihnen diese Welten zu eröffnen. Und so wie sich unsere Gesellschaft zurzeit auseinanderdividiert, denke ich, dass das immens wichtig ist, im Kino, in der Filmarbeit, also wirklich gemischte Gruppen zu haben. Damit halt dieser Divide sich nicht fortsetzt über die Kinder.

Alexandre Dupont-Geisselmann: Ich würde ganz kurz, ja auch noch was ergänzen wollen. Du hast ja auch gerade eben gesagt - also nicht nur sozusagen die Kinder, wo die Eltern jetzt nicht so aktiv das Freizeitprogramm mitgestalten - wir haben aber auch eine, sage ich mal eine ganz natürliche Altersschwelle, wo dann plötzlich auch sozusagen der Fokus der Eltern zwar immer noch da ist vielleicht, aber der Fokus der Kinder ein ganz anderer geworden ist. Und das ist eine Schwelle, wo glaube ich, wo wir glaube ich auch hier in Deutschland noch ein bisschen mehr tun müssen. Weil dann verlassen wir sozusagen den traditionellen Kinderfilm und haben so eine Mischform, sage ich mal, aus Kinder- und Jugendfilm. Weil die Themen werden auch ein bisschen anders. Und da denke ich, müssen wir auch begreifen, dass dann die Kinder selbst entscheiden wollen dann sozusagen. Der Besuch mit den Eltern ist dann irgendwo thematisch vorgegeben. Der Besuch mit den Schulkinowochen ist thematisch vom Lehrer vorgegeben. Und ich glaube, wir können sehr viel Potenzial schöpfen, wenn wir die Möglichkeiten schaffen, dass Kinder in einem kontrollierten Rahmen auch eben sich selbst Filme aussuchen können. Und da sind wir bei den bei den Kernthemen, die es auch europaweit schon gibt. Das sind - jetzt greife ich leider Margret dir vor mit deinem Lieblingsthema - die Filmclubs. Aber das ist auch mein Filmliebling sozusagen. Unter anderem in Belgien gibt es einen ganz tollen Filmclub, wo an Schulen dann eben sich Filmclubs bilden und die Kids dann aus einer vorkuratierten Programmauswahl Filme aussuchen, die sie dann am Nachmittag in der Schule gucken. Und das zweite Problem ist, dass bei uns Film noch nicht so inhaltlich im Lehrplan verankert ist, sondern da ist auch noch sehr viel Potenzial drin. Das ist im Ausland auch ein bisschen stärker schon fokussiert.

Daniel Fiene: Alex, sehr interessant. Zwei Punkte behalte ich da mal im Hinterkopf. Aber Margret lass uns beim Thema Partizipation von Kindern mal bleiben. Inwieweit ist denn da noch Luft nach oben?

Margret Albers: Oh, da ist auch noch ganz viel Luft nach oben was Partizipation von Kindern betrifft. Also mit meinem Lieblingsthema Filmclubs: Da ist das ja schon präsent, weil bis dato - wenn man sich das jetzt anschaut - Partizipation findet häufig in der Filmbranche nach wie vor eher in dem Sinne statt, dass Kinder etwas sehen und bewerten dürfen. Also das Prinzip der Kinderjurys, wie man es halt beim Goldenen Spatz kennt oder auch die FBW-Jugendjury bei der Filmbewertungsstelle in Wiesbaden, die halt Filmempfehlungen geben. Aber da gibt es natürlich noch viel viel mehr Möglichkeiten also selbst Programme zu kuratieren, wo Erwachsene vielleicht als Mentoren fungieren, aber eben nicht zu starke Vorgaben machen, wie es jetzt in der Schule der Fall wäre. Und ich möchte da sogar noch weitergehen. Also Lebenswirklichkeit verändert sich so sehr, dass es schon auch in der Entwicklung von Stoffen für Kinderfilme interessant und ratsam ist, Kinder mit in die Entwicklung auch einzubeziehen. Also nicht erst mit einem fertigen Produkt zu kommen, sondern schon während der Zeit, wo man das entwickelt, Drehbuchbesprechungen, Workshops mit Kindern zu machen, um halt zu schauen: Also es geht nicht darum, Kindern auf die Leier zu babbeln, wie man im Hessischen sagen würde, sondern doch tatsächlich zu schauen, ob man thematisch den Ton trifft und ob es wirklich in die Richtung geht, die man sich halt wünscht. Also Kinder vielmehr auch als Partner und weniger als Konsumenten zu sehen, weil man darf nicht unterschätzen, gerade was dann auch die Bekanntheit von Filmen betrifft, dass die Mundpropaganda gerade in den jungen Zielgruppen eine extrem große Rolle spielt. Also sie hören dann eher auf ihre Peers, wie man so schön sagt, als auf jemand anders.

Daniel Fiene: Ja, aber ich habe den Eindruck, da sind andere Medienbranchen weiter. Schauen wir mal in den Kinder- und Jugendbereich beim Fernsehen: Da wirken die Zielgruppen bei der Entstehung ja zum Teil sogar schon selbst mit. Da sind die also wirklich weiter.

Alexandre Dupont-Geisselmann: Das ist total richtig. Und das ist eben auch das, was ich vorhin meinte. Kino muss sich ein bisschen mit den anderen Freizeitaktivitäten messen lassen und da muss man feststellen, dass sozusagen die Interaktion im Kino relativ statisch momentan noch ist. Du hattest vorhin die Freizeitparks angesprochen. Wir können alle möglichen anderen Sachen wie Legoland und was weiß ich was aufzählen. Habe ich jetzt irgendwie gerade Werbung gemacht? Aber nein, habe ich nicht. Es ist nur ein Beispiel. Es gibt natürlich noch viele andere Themenparks, genau. Und da muss sich das Kino, glaube ich, mehr überlegen, das Erlebnis Kino einfach nicht ganz so statisch zu haben. Dass man mehr Interaktion hat, dass man mehr Ansprache hat, dass man mehr sich einbringen kann.

Margret Albers: Da würde ich dir jetzt mal widersprechen, Alex.

Alexandre Dupont-Geisselmann: Oha.

Margret Albers: Weil das ist so eine, da bin ich wieder bei der Medien-Diät. Weil Bücher sind Bücher und Filme sind Filme. Und wir haben jetzt YouTube, wir haben das Fernsehen. Wir haben ganz, ganz viele verschiedene Medien, die unterschiedliche Zwecke erfüllen und unterschiedlich genutzt werden. Und bei Games ist cool, dass man interaktiv sein kann und bei Filmen ist cool, dass man sich sie anschauen kann. Also diese Push- und Pull-Medien: Ich bin da immer ein bisschen skeptisch, wenn man sagt: es ist alles so interaktiv geworden, deswegen muss alles interaktiv werden. Sondern er dahingehend: was ist denn eigentlich die Stärke des jeweiligen Mediums? Also ein schönes Beispiel sind diese ganzen YouTube-Tutorials. Das ist eine Form, die speziell online entwickelt wurde und hier im Fernsehen oder auf anderen Plattformen gar nicht funktionieren würde. Also man hat ein Problem, googled das und sieht: Okay, es gibt da ein Tutorial. Jetzt weiß ich, wie ich halt die Batterien im Pieper von meinem Schlüssel wechseln kann. Cool, und da muss niemand helfen. Ein Film muss dann auf allen Plattformen präsent sein. „Star Wars“ ist so ein Beispiel dafür. Das funktioniert, das gibt es, aber gerade so im Arthouse-Filmbereich oder auch im Buchbereich: Es gibt Einzelstücke und diese Einzelstücke guckt man sich dann auch am besten im Kino, in einem großen Raum, in der tollen Projektion und einem tollen Sound an und hat allein dadurch ein besonderes Erlebnis. Ich glaube, das ist halt dann eher die Frage der Kommunikation mit seiner Zielgruppe. Also wie macht man auf einen bestimmten Film aufmerksam? Und auch wie entsteht dieser Film? Also da würde ich andere Medien er vorher setzten, aber nicht sagen: Das Kino muss interaktiver werden, um Attraktivität zu behalten.

Daniel Fiene: Wie erwartest du denn da die Entwicklung? Also noch mehr Mainstream? Geht das überhaupt?

Alexandre Dupont-Geisselmann: Zum Thema Mainstream kann ich nur eins sagen: Mainstream ist extrem wichtig. Mainstream ist auch für uns als Arthouse-Verleiher wichtig. Mainstream ist für die Kinos wichtig. Das sind die Filme, die die Massen locken, weil natürlich auch eine wahnsinnige multimediale Bewerbungsstrategie und ein Budget dahintersteht. Und wir brauchen diese Leuchtturm-Filme, die eben meistens Blockbuster dann sind, weil die ziehen die Leute und dann kommen die Leute wieder ins Kino und sehen Trailer von anderen Filmen und bemerken einfach mal: Wow, wir waren sehr lange nicht im Kino. Also von daher ist es ganz, ganz wichtig. Und wie gesagt: Die Währung auf dem Schulhof auch extrem wichtig. Trotz allem müssen wir einfach ein Gefühl schaffen, dass es eben nicht nur diese Filme gibt, sondern eben auch andere Filme angeguckt werden sollen, wollen und müssen. Und das ist die große Herausforderung, die wir haben. Die wir ja auch schon heute hier öfter angesprochen haben.

Daniel Fiene: Okay, was sind denn eurer Meinung nach die Hausaufgaben, die jetzt schon erledigt werden müssen, damit sich eure Zukunftsvision erfüllt?

Margret Albers: Die Produktions- und Vertriebswege für Kinderfilme nochmal überdenken. Also so richtig ins Gehölz gehen. Das fängt an bei der Beteiligung von Kindern auch in der Stoffentwicklung. Und das hat auch dann sehr viel mit dem Bereich Vermarktung zu tun. Da kann Alex gleich noch was dazu sagen. Es ist nach wie vor leider so, dass viele Filme erst nach ihrer Fertigstellung in den Zielgruppen bekannt gemacht werden. Und das ist in der Regel zu spät. Also in dem, wir denken da sehr - erst wird ein Stoff entwickelt, dann wird produziert und dann geht es in Vertrieb. Aber die Zielgruppe schon viel früher mitzudenken, sowohl kreativ als auch als Kundschaft, ist viel früher angesagt und sollte viel früher angezeigt sein, um die jungen Zielgruppen mitzunehmen und fürs Kino zu begeistern. Und das ist eine große Aufgabe, weil die Filmförderung hierzulande eben anders gestrickt ist. Die ist sehr auf dieses Nacheinander/Kausale ausgerichtet. Und da muss sich aber etwas ändern, damit die Landschaft lebendig bleibt und seine Zielgruppen, die da draußen sitzen, nicht vergisst.

Alexandre Dupont-Geisselmann: Was ich glaube, was wir brauchen, um uns sehr viel stärker in der Zukunft zu positionieren als Markt, und auch zugehend auf unsere Kunden und Zuschauer, geht in drei Richtungen. Zum einen ist das ein ganz klarer Anspruch an die Politik. Wir müssen das Thema Film sehr, sehr viel stärker im Bildungsbereich etablieren. Film muss gleichgestellt werden wie eben in einem Buch, in einem Zeitungsartikel oder sonst irgendwo Fakten sich herauszusuchen um eine Hausarbeit zu gestalten und Ähnliches. Dadurch müssen wir sozusagen, werden wir sozusagen auch gleichzeitig einen großen Anteil an der medialen Ausbildung der Kinder und Jugendlichen zuführen. Sie werden gerade überall beschossen mit Informationen. Da gehört eben Film auch dazu und im Film können Sie für sich noch einmal ganz andere Meinungen bilden. Der zweite Ansatz ist für mich, dass wir als Branche momentan noch kein gutes Programm haben, wie wir denn den Nachwuchs für die Kinogänger der Zukunft rekrutieren können. Das heißt, wir brauchen eigentlich ein Zukunftsprogramm, ein Förderprogramm, dass wir so viele Kinder und Jugendliche in die Kinos bringen. Zu so vielen schönen und unterschiedlichen Filmen. Das sie einfach Lust bekommen, je älter sie werden, noch mehr ins Kino zu gehen und in andere Filme zu gehen und sich diese anzuschauen. Das ist sozusagen mein Appell an die gesamte Branche. Und die dritte Zielsetzung, die hatte ich vorhin auch schon mal gesagt, wir müssen den Ort Kino einfach wieder viel attraktiver gestalten als das, wie wir es jetzt momentan tun. Dazu zählt eher für mich sozusagen die vor-Ort-Attraktivität als jetzt sozusagen, was Margret vorhin auch sagte, jetzt die Form der Darbietung zu verändern. Aber ich glaube, das Drumherum zählt heutzutage auch.

Daniel Fiene: Die Liste von Margret Albers und Alex Geiselman ist ganz schön lang. Und das ist, finde ich, auch das reizvolle, wenn wir uns mit der Zukunft des Kinos und insbesondere des Kinderfilms hier im „Generation Alpha“-Podcast beschäftigen. Ich nehme da vor allen Dingen zwei Punkte mit. Erstens: schon heute ist es eine große Herausforderung, für das Kinderkino sichtbar zu werden. Wenn das gelöst wird, dann sind wir schon bei meinem zweiten Punkt, der gerade auch noch für die Generation Alpha wichtiger wird: Kinderkino ermöglicht es einfach, neue Lebenswelten kennenzulernen, die einem Entwicklung und Vielfalt ermöglichen. Quasi Kinderkino als Filterblasen-Maximierer, von denen alle Kinder mit profitieren können. Ob es zu diesem Happy End kommt, das war unser Ausflug in die Welt des Kinos. Wir haben aber auch noch weitere Reiseziele hier bei unserem Podcast. Neue Episoden gibt es immer neu mittwochs, alle zwei Wochen, in der ARD Audiothek, in gut sortierten Podcast-Apps und -Verzeichnissen und im KiKA-Kommunikationsportal. Danke fürs Zuhören. Mein Name ist Daniel Fiene. Bis zum nächsten Mal. Bleiben auch Sie mit uns neugierig auf die

[Outro] Generation Alpha - Der KiKA Podcast

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