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Transkript zu Episode 7: "Sich Hilfe holen ist kein Zeichen von Schwäche. Das sollten Kinder unbedingt wissen.“

"Sich Hilfe holen ist kein Zeichen von Schwäche. Das sollten Kinder unbedingt wissen." Sabine Marx (Leiterin Diakonie Onlineberatung für Kinder und Jugendliche & Beraterin KiKA-KUMMERKASTEN) im Gespräch mit Host Ann-Kathrin Canjé.

Sabine Marx: Das finde ich sehr, sehr berührend in der Online-Beratung oder auch am Telefon. Dass Kinder oft, gerade weil es bei uns so niedrigschwellig ist und anonym, sich trauen, zum allerersten Mal vielleicht über etwas zu reden, was sie sich sonst bisher noch nicht getraut haben. Weil sie dann vielleicht dachten: Okay, ich werde ausgelacht. Oder dann passiert gleich irgendetwas.

[Intro] „Generation Alpha – Der KiKA-Podcast“

Ann-Kathrin Canjé: Hallo. Schön dass sie reinhören in unsere neue Podcast-Folge mit mir, Ann-Kathrin Canjé. Eins vorab: diese Episode, die hatten wir eigentlich etwas anders geplant. Sie entsteht heute am 25. März 2022 fast genau einen Monat, nach dem Russland einen erneuten Krieg in der Ukraine begonnen hat. Ich benenne das Datum jetzt hier so genau, weil vielleicht in den kommenden Tagen nach Veröffentlichung dieser Folge die Situation, in der wir uns befinden, ja schon wieder eine ganz andere sein kann. Was sich nicht ändern wird: die Kinder der Generation Alpha, nach 2010 geboren, die erleben gerade höchst unsichere Zeiten. Neben Klimakrise und der Corona Pandemie gibt es jetzt auch noch einen Krieg in Europa, der für manche auf einmal ein bisschen näher scheint als andere Kriege zuvor. Die Sorgen der Kinder wachsen, das merkt auf jeden Fall auch KiKA. Auch in meinem Umfeld bekomme ich immer wieder mit, dass sich viele Eltern fragen: Wie soll ich meinem Kind denn jetzt erklären, was ein Krieg ist? Soll ich das überhaupt erzählen, was da gerade in der Ukraine passiert und wie nah das ist? Oder verunsichere ich sie damit unnötig? Wir wollen das zum Anlass nehmen, in dieser Folge zu beleuchten, welche Beratungsangebote Kinder aktuell und auch ganz generell in der Zukunft brauchen. Und was heißt Beratung da überhaupt? Wo müssen die Angebote stattfinden? Wie können Erwachsene Kindern in diesen Zeiten beiseite stehen? Und welche Unterstützung müssen sie auch leisten? Was also braucht die Generation Alpha von uns als Medien und Gesellschaft?

Sabine Marx: Ich wünsche mir für die Generation Alpha, das Kindern bewusst ist und dass wir sie da auch ermutigen, dass sich Hilfe holen kein Zeichen von Schwäche ist. Also, dafür müssen sie sich nicht, muss niemand sich - auch wir Erwachsene müssen uns dafür nicht - schämen, sondern im Gegenteil. Das ist richtig stark. Und das ist auch unser Ansatz in der Beratung, dass wir sagen: Okay, wir möchten die Selbstwirksamkeit der Kinder starken. Ja, sie müssen nichts erdulden, nix aushalten. Sie können und dürfen sich Hilfe holen.

Ann-Kathrin Canjé: Das war eine Zukunftsvision von Sabine Marx, meiner heutigen Gästin und Expertin in Sachen Krisen und Beratung. Sabine, wir sind übrigens schon beim Du, hat eine Ausbildung bei der Telefonseelsorge Berlin-Brandenburg gemacht, arbeitete 13 Jahre als ehrenamtliche Beraterin und Mentorin und war acht Jahre lang als Notfallseelsorgerin aktiv. Sie leitet heute die Diakonie Online-Beratung für Kinder und Jugendliche und betreut mit einem Team von ehrenamtlichen Berater*innen die Post, die den KiKA-Kummerkasten erreicht. Und ist schon seit 2012 beim Kummerkasten dabei. Ganz kurz zum Kummerkasten: Das ist ein crossmediales TV- und Online-Beratungsangebot mit Videos, Chats und Infos auf kika.de, um Kindern sozusagen ein Stück weit Lebenshilfe zu bieten. Die ganz konkreten Fragen der Kinder beantwortet Sabine dann manchmal in kurzen Webvideos und natürlich per Mail. Sabine ich bin sehr froh, dass du heute dabei bist.

Sabine Marx: Ja, hallo. Ich freue mich auch, dass ich dabei sein kann und vielen Dank für die Einladung.

Ann-Kathrin Canjé: Ich habe eine recht ernste Frage gleich zum Einstieg. Sabine, was ist denn deine erste Erinnerung an Krieg?

Sabine Marx: Meine erste Erinnerung an Krieg ist, dass ich als Kind/Jugendliche wirklich Angst vor einem Atomkrieg hatte. Also als ich realisiert habe, so, als ich zehn, elf Jahre alt war, was Nuklearwaffen sind und was die für eine Zerstörungskraft haben. Das hat mich sehr beeindruckt und sehr beschäftigt.

Ann-Kathrin Canjé: Ja, und da fragt man sich natürlich auch, wie verarbeitet ein Kind solche Eindrücke? Und wie wurde dir denn dann erklärt, was Krieg ist? Oder wie bist du damit umgegangen?

Sabine Marx: Ja, das ist eine sehr spannende Frage. Ich war als Kind/Jugendliche er so drauf, dass ich viel mit mir selber so ausgemacht habe, abgemacht habe. Und in der Familie habe ich das gar nicht groß thematisiert. In der Schule hat mir geholfen, dass darüber gesprochen wurde und dass auch Kontexte, Hintergründe erklärt wurden. Jetzt begleite ich ja auch Kinder und Jugendliche. Und das ist ein ganz wichtiger Punkt, da auch Kindern Mut zu machen. Es ist voll in Ordnung, darüber zu reden, wenn du Angst hast oder wenn du nicht weiterweißt.

Ann-Kathrin Canjé: Ja, und das zeigt ja auch, wie du selbst, und ich schließe mich da auch mal ein, wie wir Erinnerungen an Krieg haben und diese Ängste kennen. Ich habe ja eingangs schon gesagt: Die Welt scheint für Kinder und auch für uns Erwachsene natürlich immer unsicherer und unberechenbarer. Das zeigen ja auch die Anfragen die KiKA erreichen, insbesondere dann auch dich und dein Team. Wie geht ihr denn aktuell in der Beratung damit um?

Sabine Marx: Zunächst einmal, in dem Sinne freuen wir uns, wenn die Kinder den Mut finden uns zu schreiben und auch wirklich das zu äußern, was sie beschäftigt und quasi den Weg zur Beratung finden. Und wir hören zu. Wir öffnen einen Raum. Und wir geben auch zurück. Ja, wir können nachempfinden, dass du jetzt Angst hast. Und das geht nicht nur dir so, sondern viele Menschen machen sich jetzt gerade Sorgen. Und es ist aber auch möglich, damit umzugehen. Und da schauen wir dann was kann im konkreten Fall helfen? Und wo ist genau die Angst angesiedelt? Vor was oder vor wem hat das Kind Angst? Und genau da gehen wir dann darauf ein.

Ann-Kathrin Canjé: Kannst du mal ein paar Beispiele geben, was sich da aktuell so abzeichnet? Was kommen da so an Fragen?

Sabine Marx: Die Kinder haben wirklich vom ersten Tag des Krieges in der Ukraine uns geschrieben. Und sie haben Angst, dass der Krieg vielleicht auch nach Deutschland kommt. Dass Bomben auf Deutschland fallen können. Sie haben Angst, dass es vielleicht auch zu einem Atomkrieg kommen kann oder zu einem Weltkrieg. Sie haben Angst, dass vielleicht Menschen, die sie kennen, in der Ukraine - Freunde, Verwandte – ja, dass denen was passieren kann. Dann machen sie sich auch Sorgen: Müssen wir vielleicht auch mal flüchten und irgendwo Schutz suchen? Und manche Kinder überlegen dann aber auch: Okay, wie kann ich vielleicht selber helfen und sind da eigentlich schon aktiv und wollen gerne auch unterstützen. Und was recht häufig auch ist, dass Kinder Bilder sehen, vielleicht von rollenden Panzern oder von zerstörten Häusern und diese Bilder nicht loswerden und dann Angst haben, einzuschlafen und schlecht zu träumen. Oder Sie können nicht einschlafen, weil sie das so beschäftigt.

Ann-Kathrin Canjé: Ja, das klingt nach wirklich sehr viel Input, den Kinder da verarbeiten müssen. KiKA hat ja auch ganz zu Beginn des Krieges reagiert mit der Nachrichtensendung „KiKA AKTUELL“. Da standest auch du unter anderem mit der Konfliktforscherin Prof. Dr. Sophia Hoffmann live Rede und Antwort für die Fragen der Kinder. Und das war sehr eindrücklich für mich, was doch gerade erst anklingen lassen. Zum Beispiel ein Kind das schrieb, dass es sich Sorgen macht um seine Freundin in der Ukraine und dass die sterben könnte. Oder ein Kind, das auch vor einem dritten Weltkrieg eben Angst hatte. Das sind also wirklich richtig existenzielle Fragen. Wie sollen denn Erwachsene oder Eltern, nahestehende Personen, darauf reagieren?

Sabine Marx: Ja, wichtig ist, dass sie reagieren und dass sie es wahrnehmen, wenn ihre Kinder sich damit beschäftigen und Ängste haben. Das ist zunächst mal das Wichtigste. Und dann ist es auch wichtig, dass wir uns auch als Erwachsene, sei es als Eltern, vielleicht aber auch als Lehrer*innen auch mit unseren eigenen Ängsten und Sorgen zunächst einmal beschäftigen. Und auch in uns rein horchen und überlegen: Okay, was macht mir denn Angst? Wo sind denn meine Sorgen? Dass ich erstmal quasi klar habe: Ja, wo stehe ich da? Und wie geht es mir? Und dann kann ich auch ein gutes Gegenüber sein, dann für die Fragen und Sorgen der Kinder. Und im konkreten Fall: Jetzt das Mädchen auch, das sich Sorgen macht um die Freundin. Ja, das Leben ist nicht nur schön und das erleben auch schon Kinder und Jugendliche. Und diese Sorge um einen anderen Menschen ist ja was Urmenschliches und was sehr Berührendes. Und da ist es wichtig, dass wir uns gefühlsmäßig mit dem Kind verbinden und sagen: Ja, ich kann das wirklich nachempfinden.

Ann-Kathrin Canjé: Also schon einmal ein guter Tipp, was ich oder was Eltern ihren Kindern geben oder raten könnten. Ich denke einfach, dass sehr viele Eltern sich gerade damit beschäftigen, wie sie ihren Kindern das erklären. Und zu dem Thema passt auch ganz gut die Frage einer Mutter, die uns erreicht hat. Sie hat erzählt: Unser Kind ist fast fünf. Gehe ich mit dem Thema Krieg, der jetzt näher gerückt ist, proaktiv auf mein Kind zu und spreche es an? Oder warte ich darauf, bis Fragen aufkommen, die es aufgeschnappt hat? Was antwortest du darauf?

Sabine Marx: Grundsätzlich ist ein guter Weg, reaktiv zu sein. Also wirklich zu gucken, wenn Fragen kommen, die dann auch offen aufzugreifen und zur Verfügung zu stellen. Jetzt ist es natürlich so: Überall wird über den Krieg berichtet. Überall wird darüber gesprochen. Und es ist bei einem fünfjährigen Kind auch nicht auszuschließen, dass es in der in der Kita oder in der Schule auch Gespräche mitbekommen hat oder auch mal im Radio Nachrichten mitgehört hat oder vielleicht sogar auch im Fernsehen Bilder gesehen hat. Und da ist es wichtig das Kind zu beobachten und dann vielleicht in dem Falle dann auch mal aktiv anzusprechen, aber sehr offen. Also nicht anfangen zu dozieren oder einen Vortrag zu halten, sondern eher zu fragen: Beschäftig dich was? Wie geht es dir gerade? Und zu gucken, was dann kommt. Und sehr wertvoll sind Fragen, die Kinder von sich aus stellen, weil sie geben uns Erwachsenen auch schon so einen Einblick: Wo steht das Kind gerade? Was macht es sich für Gedanken? Was hat es vielleicht für Bilder im Kopf und/oder Fantasien? Und wenn es vielleicht einen Panzer gesehen hat, dass es vielleicht auch gar nicht einschätzen kann, wo fährt dieser Panzer gerade. Ein Kind hat vielleicht in dem Alter auch noch gar nicht so die Vorstellung. Wo genau ist jetzt die Ukraine? Vielleicht ist der Panzer in der Nachbarstadt oder so. Also von daher ist es sehr wichtig, wirklich genau hinzuhören und das Kind auch ein Stück weit zu beobachten. Verändert es sein Verhalten? Wird es unruhiger? Schläft es schlechter? Zieht es sich zurück? Und auf jeden Fall fragen: Ja, wie geht es dir gerade? Und signalisieren - ich bin für dich da und helfe dir.

Ann-Kathrin Canjé: Also eher das Fragende und nicht das, so verstehe ich es jetzt, einfach mal hinsetzen und alles schildern, was gerade so passiert und sehr viel selbst an das Kind tragen.

Sabine Marx: Genau. Also es ist wirklich erstmal wichtig zu gucken, wo steht das Kind gerade. Und vielleicht würde ich ansonsten irgendetwas erzählen, wo ich gegebenenfalls auch erst mal Angst auslöse, weil das Kind sich bisher damit gar nicht beschäftigt hat. Und es dann vielleicht unnötig verunsichere.

Ann-Kathrin Canjé: Okay, was du gerade anspricht, da passt gut noch ein Beispiel einer Bekannten dieser Mutter, die uns das geschildert hat, zu. Die haben ihrem Kind nämlich vom Krieg erzählt und das hat darauf nur noch Albträume gehabt und Angst, dass das Haus zerbombt und die ganze Welt zerstört wird. Wie geht man denn mit diesen Ängsten der Kinder um?

Sabine Marx: Auf jeden Fall sie wahrnehmen, sie ernst nehmen und versuchen zu vermitteln: jetzt genau, jetzt und hier, bist du in Sicherheit. Und ich bin für dich da. Ich beschütze dich. Hier passiert dir nichts. Und gerade auch wenn dann diese Bilder sich im Kopf verankert haben, vielleicht zu Albträumen führen, dann auch wirklich gucken, dass die Strukturen im Alltag auch, die Routine, die man so als Familie hat, dass die auch wirklich eingehalten werden. Das gibt auch wiederum Sicherheit. Das man abends schaut, dass möglichst kein Fernsehen läuft oder kein Radio. Dass man eine ruhige Atmosphäre schafft und auch gegebenenfalls auch wirklich körperliche Nähe.

Ann-Kathrin Canjé: Jetzt haben wir gerade die aktuelle Situation durch den Krieg in der Ukraine, aber unter „Frag Sabine“, beim KiKA-Kummerkasten haben ja auch Kinder sonst immer die Möglichkeit, dir und deinem Team zu schreiben. Kannst du mal erzählen, wie viele Nachrichten ihr da so pro Woche bekommt und welche Themen, auch jenseits von Krieg und der Pandemie, da eine Rolle spielen?

Sabine Marx: Die Kinder schreiben wirklich über alles, was sie beschäftigt. Ja, so 75, 100 Nachrichten pro Woche. Und wir sind ja auch themenoffen. Und wir nehmen den ersten Liebeskummer genauso ernst wie vielleicht eine sehr heftige Mobbing-Erfahrung. Und beeindruckend ist, oder bemerkenswert ist, dass all die Jahre zuvor, ich mache das jetzt seit fast zehn Jahren, lag Partnerschaft, Liebe, verliebt sein, Liebeskummer, alles rund um dieses Thema, immer auf Platz 1, wenn wir die Themenstatistik ausgewertet haben. Und in der Pandemie-Zeit hat sich das geändert. Und jetzt sind psychosoziale Themen, wie zum Beispiel Selbstvertrauen, Ängste, suizidale Gedanken, Alleine seien. Dieser Themenkomplex liegt jetzt sozusagen auf Platz 1. Und das zeigt eigentlich schon eindrücklich, dass das auch was mit Kindern macht und dass sie schon auch in ihrem Alltag spüren, dass es eine herausfordernde und anstrengende Zeit ist, die hinter uns liegt und durchaus auch ja noch vor uns.

Ann-Kathrin Canjé:  Stichwort Pandemie, da sollten wir auf jeden Fall auch drüber sprechen. Zu der Kriegssituation, die aktuell hinzugekommen ist, begleitet die Kinder Corona jetzt ja wirklich eine Weile schon. Und das zeigt auch Auswirkungen, wie du gerade geschildert hast. Auch Forscher*innen sind alarmiert.

Ann-Kathrin Canjé: Kurzer Exkurs was da aktuell so besprochen wird. Also es gibt Expert*innen. zum Beispiel der Leopoldina Akademie der Wissenschaften, die befürchten zum Beispiel, dass Kinder und Jugendliche kurz-, mittel. und langfristig Defizite aus der Pandemie mit sich tragen werden. Also zum Beispiel, was das Lernen und Schreiben angeht, oder soziale Kompetenzen. Und eine Studie des privaten Instituts für Generationenforschung, die im September 2021 veröffentlicht wurde, hat sich die Generation Alpha auch nochmal angeschaut. Dazu haben Sie ein Jahr lang über 1200 Pädagog*innen befragt, wie sie ihre zu betreuenden Kinder im Alter von null bis zehn wahrnehmen und einschätzen. Und obendrauf haben Sie auch noch 652 Eltern, um genau zu sein, über die Erziehung und Einschätzung ihrer Kinder befragt und konnten somit insgesamt über 22.000 Kinder beurteilen. Dabei haben sie rausgefunden, dass überrascht jetzt vielleicht nicht so sehr, dass diese Generation vor allem einen übermäßigen Smartphone-Konsum in jungen Jahren aufweise, der dann zum Beispiel die Entwicklung von Empathie beeinflussen könne. Und die Auffälligkeiten, die auf die Erzieher*innen nicht altersentsprechend gewirkt haben sollen, waren zum Beispiel, dass 40 Prozent der Kinder Auffälligkeiten im sprachlichen Bereich, 19 Prozent im motorischen Bereich und 30 Prozent im sozialen Bereich aufweisen würden. Die Studie soll die umfangreichste Generationenforschungsstudie sein über die Generation Alpha und wir verlinken sie ihnen auch noch mal.

Ann-Kathrin Canjé: Ich habe mir in der Vorbereitung auf unser Gespräch ein paar Videoclips angeguckt, in denen du ja auf Fragen von Kindern eingehst, die euch erreichen. Die erzählen da sehr eindrücklich von ihren Erfahrungen jetzt in den letzten zwei Jahren im Homeschooling, die Überforderung und auch deren Traurigkeit, die du auch schon angesprochen hast. Der Leiter der Studie vom Institut für Generationenforschung, Diplom-Psychologe Rüdiger Maas, sagt, dass es in Deutschland noch nie so viele unglückliche Kinder gegeben hätte. Was sagst du dazu, Sabine? Ist das überspitzt? Oder wie hat sich das bisher in deiner Arbeit widergespiegelt?

Sabine Marx: Wir bekommen Nachrichten von Kindern, die sehr eindrücklich beschreiben, wie es ihnen gerade geht, was sie fühlen. Beispielsweise ein Kind, was schreibt: Ja, ich werde morgens wach, bin traurig. Ich gehe abends ins Bett, bin traurig. Manchmal kommen mir die Tränen und ich weiß gar nicht, warum ich jetzt weine. Ich weiß nur, dass alles irgendwie schwer ist und ich so ein bisschen die Freude verloren habe. Also von daher kann ich das einerseits unterstreichen. Andererseits kann ich es auch nachvollziehen, dass den Kindern es jetzt so geht. Und uns Erwachsenen geht es ja oft auch nicht anders. Also es wäre auch erstaunlich, wenn wir in so einer Krisensituation da völlig gleichgültig und unbeeindruckt da durchgehen würden und die erleben würden und sagen würden: Ja, okay, ist halt jetzt so. Also in dem Sinn ist es ein Stück weit auch nachvollziehbar, dass wir uns vielleicht unglücklicher fühlen. Und ich sage auch bewusst wir und gar nicht in der Abgrenzung Kinder/Erwachsene, weil in dem Sinne ist es ein Stück weit auch eine normale Reaktion auf eine sehr herausfordernde und anstrengende Zeit.

Ann-Kathrin Canjé: Dazu passt vielleicht auch gut, dass die Nummer gegen Kummer, also eine Seelsorge-Hotline für Kinder und Jugendliche, 2020 über 97.000 Anrufe erhalten hat. Und eben auch nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene darauf zurückgegriffen haben, das heißt dann Elterntelefon. Da gab es auch über 18.000 Anrufe. Und bei den Jugendlichen gab es vor allem auch einen Onlinezuwachs, also ein Zuwachs an der Beratung Online. Kannst du uns diese Zahlen mal einordnen? Hat sich das jetzt durch die Pandemie verändert? Oder ist es normal?

Sabine Marx: Ja, also, ich bin ja hier in Berlin auch verantwortlich, neben der Online-Beratung für Kinder und Jugendliche in Kooperation mit dem KiKA, auch verantwortlich für diese Beratungsangebote „Kinder- und Jugendtelefon Berlin“ und „Elterntelefon Berlin“. Also von daher bin ich da auch sehr dicht dran und kann das bestätigen. Es zeigt im Grunde, dass der Bedarf an Unterstützung, an Austausch, an Beratung in dieser Krisenzeit enorm gewachsen ist und einfach da ist. Und es zeigt auch, wie wertvoll und wichtig es ist, dass es solche niedrigschwelligen, kostenfreien, anonymen Beratungsangebote gibt. Sei es per Telefon, sei es online, wenn man lieber schreiben möchte.

Ann-Kathrin Canjé: Und wenn wir in Richtung Zukunft blicken, denkst du da ist noch mehr bedarf. Also wird es weiter steigen?

Sabine Marx: Wenn ich in die Zukunft blicke, würde ich auf jeden Fall sagen, der Bedarf wird auch in der Zukunft da sein. Und es ist auch in der Zukunft wichtig, dass es solche Angebote gibt, die in dem Sinne niedrigschwellig sind. Und niedrigschwellig bedeutet ich muss nicht groß mich um einen Termin kümmern, oder ich muss vielleicht was dafür bezahlen. Oder ich muss vielleicht auch sagen, wer ich bin, wie ich heiße. Also gerade diese Vertraulichkeit. Und diese Anonymität ist ein ganz wichtiges Kriterium, was Menschen erleichtert, den Weg in die Beratung zu finden oder sich zu trauen, über herausfordernde, belastende Dinge überhaupt erst zu sprechen.

Ann-Kathrin Canjé: Vielleicht kann man noch mal ganz kurz klären, was Beratung eigentlich ganz genau bedeutet. Erzählt das doch gerne noch mal.

Sabine Marx: Ja, manchmal tut es einfach gut, sich mit jemandem auszutauschen. Hermann Hesse, also der Schriftsteller, hat mal gesagt: Es wird immer gleich ein wenig anders, wenn man es ausspricht. Und genau da setzt Beratung an. Beratung ist im Grunde ein Gespräch, das zur Entlastung dient. Und Beratung können Menschen nutzen, die in ihrem Alltag gerade Dinge erleben, wo sie sagen: Boah krass, da wünsche ich mir jetzt Unterstützung. Oder da würde es mir mal guttun, wenn ich mit jemandem reden oder darüber schreiben könnte. Und oft hilft es dann, dass es Menschen sind, die nicht im direkten Umfeld aktiv sind, weil oft sind die ja Teil des Problems oder zu dicht dran. Und da setzt auch quasi unsere Online-Beratung an, dass wir sagen: Okay, wir stellen uns zur Verfügung. Ihr könnt mit allem kommen, was euch jetzt gerade vielleicht schwerfällt. Und wir hören euch zu, und wir geben unsere Außenperspektive. Wir fühlen mit und gucken dann, was können Wege sein. Also das finde ich sehr, sehr berührend in der Online-Beratung oder auch am Telefon. Dass Kinder oft, gerade weil es bei uns so niedrigschwellig ist und anonym, sich trauen über, zum allerersten Mal vielleicht, über etwas zu reden, was sie sich sonst bisher noch nicht getraut haben. Weil sie dann vielleicht dachten: Okay, ich werde ausgelacht. Oder dann passiert gleich irgendetwas. Umso wichtiger ist erstmal der Schritt, den die Kinder in diesem Schutz der Anonymität gehen können. Dass sie die Erfahrung machen: Okay, mir wird geglaubt. Ich werde nicht verurteilt. Es ist möglich, dass ich das in Worte fasse. Und dann ist jemand da, der hört zu und der überlegt mit mir gemeinsam, was können nächste Schritte sein? Und ja, diesen Mut machen wir natürlich dann auch in der Beratung.

Ann-Kathrin Canjé: Also die Zahlen, die zeigen ja, dass der Bedarf an Online-Beratung steigt. Beim KiKA-Kummerkasten und „Frag Sabine“ bietet ja auch zu bestimmten Themen einen Chat an, der dann für die ganze Community geöffnet ist, wo Kinder auch unter sich ins Gespräch kommen können. Die meiste Beratung läuft dann aber ja doch über das E-Mail-Angebot vor allem. Warum ist so ein E-Mail Beratungsangebot wichtig, auch in Zukunft?

Sabine Marx: Diese Mailberatung ist wichtig und hilfreich. Und ich denke, die wird es auch noch in einigen Jahren geben, weil gerade durch dieses Zeitversetzte, dass ich erst einmal in Ruhe schreiben kann, ohne dass vielleicht schon jemand direkt eine Frage stellt oder mich durcheinanderbringt. Ich kann erst mal in Ruhe schreiben, dass was mir wichtig ist oder vielleicht auch weglassen, was ich nicht schreiben möchte, ohne dass da vielleicht auch jemand nachbohrt. Und dann schicke ich das ab und warte. Und dann kommt eine Antwort zurück und die kann ich mir auch erst mal in Ruhe anschauen. Also es ist, was sehr Kontrolliertes. Also das Kind, der Jugendliche, der da schreibt, hat wirklich eine große Kontrolle. Und deswegen wird es auch oft genutzt von Kindern und Jugendlichen, die wirklich belastende Situationen erleben, weil sie da sich sehr geschützt fühlen. Nichtsdestotrotz: Es ist eine zeitversetzte Geschichte und wir leben in einer schnelllebigen Zeit. Und für manche dauert das zu lange. Und von daher ist es wichtig, dass es nicht nur so eine asynchrone Mailberatung gibt, sondern vielleicht, du hast es angesprochen, auch mal so ein Chat-Angebot. Da können Kinder sich dann untereinander austauschen. Und dann beim Kummerkasten-Chat ist es so, dann gibt es immer auch eine Berater*in. Oder vielleicht auch zwei Berater*innen sind dann im Chat und dem kann man auch Fragen stellen. Und perspektivisch, denke ich, wird es noch weitere Beratungsformen geben. Beispielsweise, das beginnt jetzt ja auch, die ersten Angebote gibt es ja auch schon, dass über Messenger-Dienste beraten wird. Also das Kinder quasi die ihnen sehr vertraute Kommunikationsformen, sich über Messenger-Apps auszutauschen, dort Nachrichten zu verschicken, mit ihrer Peergroup ja in Kontakt zu sein. Das ist ihnen sehr vertraut. Und es ist eigentlich sehr logisch und nachvollziehbar zu sagen: Okay, auch über diesen Kommunikationskanal bieten wir eine Beratung an.

Ann-Kathrin Canjé: Das heißt für die Generation Alpha können einfach auch neue Wege, Plattformen, ja zu Beratungsplattform werden. Ich finde es auch noch mal wichtig zu schauen, wo die Beratungsangebote stattfinden und auf welchen Plattformen die Generation Alpha so unterwegs ist. Weil ältere Kinder, sagen wir jetzt mal 13, die sind eben auf Social-Media-Plattformen wie TikTok unterwegs. Da werden sie dann auch mit verstörenden Bildern konfrontiert, etwa auch aktuell zum Ukraine-Krieg. Oder sie holen sich da halbgare Tipps zum Thema Therapie vielleicht. Also der Hashtag #therapistsoftiktok, der wurde über 435 Millionen Mal aufgerufen. Das zeigt also einen Bedarf der da schon ist. Welche Bedeutung haben in deinen Augen die sozialen Netzwerke in Sachen Beratung? Im Sinne von zum Beispiel, wenn wir auf den KiKA-Kummerkasten gucken: Besser, der Öffentlich-Rechtliche berät anstelle von Influencern. Wie wichtig ist das?

Sabine Marx: Sehr wichtig, weil die Kinder sind dort. Also Generation Alpha zeichnet ja aus, dass sie mit dem Digitalen aufwachsen und schon als Baby Kontakt haben mit Tablets. Von daher... Generation Alpha unterscheidet nicht mehr zwischen analog oder digital. Und sie gehen nicht online, sondern da ist es ganz normal, dass sie online sind. Das ist Teil ihres Alltags, ihrer Lebenswelt. Und von daher ist mein Ansatz oder meine Überlegung, dass wir Wege finden müssen, dass dort quasi auch wertvolle Angebote sind, die Kinder ja in ihrem Kindsein wahrnehmen und ihnen auch dann dort kindgerecht begegnen.

Ann-Kathrin Canjé: Vielleicht dann ein Beispiel an dieser Stelle. Es gibt da das TikTok-Aufklärungsformat „Wahrscheinlich Peinlich“ vom MDR, dass haben Kolleg*innen von mir entwickelt und das richtet sich ganz klar an eine junge Zielgruppe. Also da werden in den Kommentaren auch wirklich sehr intime Fragen gestellt, wo ich mir auch vorstellen könnte, dass ihr vielleicht auch so Beratungsmails bekommt. Das heißt, vielleicht braucht es ja dann doch noch mehr direkte Beratung auch auf diesen Plattformen. Wir können ja mal zusammen auch überlegen: Wie könnte man denn da gute Beratungsangebote für die Generation Alpha entwickeln in Zukunft?

Sabine Marx: Die Online-Beratung für Kinder und Jugendliche überlegt tatsächlich auch, sich zu erweitern und weiterzuentwickeln und auch auf Social-Media-Plattformen aktiv zu sein. Wir würden jetzt beispielsweise keine Eins-zu-Eins-Beratung dort anbieten, einfach auch aufgrund der Vertraulichkeit des Datenschutzes. Und dass wir dort auch keine Anonymität gewährleisten können. Was aber nicht heißt, dass dort nicht trotzdem auch Beratung stattfinden könnte. Dass man Gespräche dort anbieten kann, dass man vielleicht Tipps gibt. Informationen gibt zu Themen, dass die Community dann dort Fragen stellen kann und dass man die einordnet und da unterstützt. Also das fände ich sehr, sehr, sehr, sehr wichtig, weil alle anderen sind auch dort. Und zum Teil werden Kinder mit Bildern und auch mit Ansichten konfrontiert, die ihnen nicht guttun. Aber das Medium an sich ist nicht gut oder schlecht, sondern es ist wichtig, wie es genutzt wird. Und wie der Content, der Inhalt aussieht und ein Stück weit sind wir da auch als Erwachsene, die so etwas anbieten, auch Vorbild. Dass wir den Kindern auch erklären: Ja, auch das Digitale ist ein Raum, wo Menschen sich begegnen. Und es ist aber ein öffentlicher Raum. Und wenn dann so eine Beratungsplattform auf Social Media, sei es TikTok oder Instagram oder was vielleicht alles noch in der Zukunft dazu kommen wird, wenn da ein Beratungsangebot platziert wird, wäre es ganz wichtig, genau das auch den Kindern zu vermitteln. Es ist wichtig, sich zu öffnen und auch über das zu reden, was schwer ist im Leben. Und da auch Fragen zu stellen und sich Hilfe zu holen. Und da ist ganz viel möglich, dass man vielleicht auch Content, was beispielsweise jetzt mal KiKA für das Programm produziert wird, dass man guckt: Okay, wie kann man diesen wertvollen Inhalt passend machen, auch für die Social-Media-Plattform?

Ann-Kathrin Canjé: Also ich halte fest: es braucht auf jeden Fall den direkten Kontakt und Austausch für euch als Berater*innen, aber auch für uns Medienschaffende, um unsere Angebote weiterzuentwickeln. Was es aber auf jeden Fall auch braucht, das sind die Eltern. Lass uns doch gerne auf deren Rolle und die von Pädagog*innen schauen. Die Studie der Generationenforschung habe auch gezeigt, dass überbehütete Kinder ähnliche Symptome zeigen wie Kinder, die vernachlässigt werden. Also dass sie beispielsweise mit bestimmten Bewältigungsstrategien nicht mehr so richtig klarkommen, die nicht richtig erlernen. Da sind die Eltern gefragt. Aber die haben ja gerade auch echt viel auf dem Tisch, wenn wir uns das mal anschauen. Selbst mit der Pandemie klarkommen, Homeoffice, Homeschooling. Da wird dann auch mal schnell zum Laptop oder Bildschirm gegriffen. Was rätst Du den Eltern aktuell? Aber auch für die Zukunft mit ihren Kindern, besonders in diesen unsicheren Zeiten.

Sabine Marx: Ja, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Eltern sind Vorbilder und die Kinder beobachten genau und orientieren sich natürlich auch an den Eltern. Von daher ist für uns Erwachsene, und ja gerade auch wenn Erwachsene die Elternrolle haben, zu sich selber ehrlich sein und sich im Grunde auch ein Stück weit mit sich selbst auseinandersetzen. Und dieser Druck, alles richtig zu machen, zu optimieren, keinen Fehler zu machen, da auch schauen: Okay, was brauche ich denn, um ein Stück weit gelassener zu werden? Was brauche ich, wenn ich Angst habe, wenn ich mir Sorgen mache und was tut mir gut? Also auch auf das zu gucken, auf die Ressourcen zu gucken, auf die Quellen zu gucken, die im Grunde uns dann Kraft geben. Und da würde ich gerne die Eltern ermutigen, da sich selbst nicht aus dem Blick zu verlieren. Und was das Digitale angeht: Ja, ich meine kaum einer geht ja aus einem Haus ohne Smartphone. Es ist ja sozusagen die Standardausstattung. Wir sind ständig auch online und präsent und arbeiten vielleicht noch abends was ab. Also von daher auch zu gucken: Wo können wir vielleicht auch als Familie uns Freiräume schaffen und es ist sicherlich utopisch, das Digitale aus dem Familienleben zu verbannen und wäre völlig unrealistisch und sicherlich auch nicht sinnvoll. Aber da als Familie gemeinsam mit den Kindern zu schauen.: Okay, was sind denn so unsere Regeln und was ist uns wichtig? Und das dann auch als Familie und als so kleine Einheit gemeinsam erarbeiten und sich dann da auf was einigen.

Ann-Kathrin Canjé: Ja und auch Eltern können sich ja immer wieder Beratung suchen und eben auch die Kinder. Und wenn wir noch mal auf die schauen, wie sieht denn das Beratungsangebot für die Generation Alpha in Zukunft für dich aus? Welche Vision hast du da?

Sabine Marx: Das jetzt und auch in der Zukunft Kinder, egal, aus welcher Familie sie kommen oder wieviel Geld die Eltern verdienen, egal welcher kulturelle oder religiöse Hintergrund, ob sie gesund oder krank sind, Einschränkungen haben, dass sie teilhaben können in unserer Gesellschaft, an unserer Gesellschaft. Und wichtig ist, dass Kinder trotz all diesem Neuartigen, was da auf sie zukommt, und das digitale, dass sie Kind sein dürfen. Und dass sie einerseits gefördert werden, eine gute Bildung erhalten, aber gleichzeitig auch immer genug Zeit und Raum haben, Kind zu sein. Und zum Spielen, herumtollen, zum Nichtstun, sich langweilen. Und ich finde, das sollte sich auch in Beratungs- oder generell in Medienangeboten für Kinder widerspiegeln. Außerdem würde ich mir wünschen, dass Kindern bewusst ist und dass wir sie da auch ermutigen, dass sich Hilfe holen kein Zeichen von Schwäche ist. Also, dafür müssen sie sich nicht, muss niemand sich, auch wir Erwachsene müssen uns dafür nicht schämen. Sondern im Gegenteil. Das ist richtig stark. Und das ist auch unser Ansatz in der Beratung, dass wir sagen: Okay, wir möchten die Selbstwirksamkeit der Kinder stärken. Ja, sie müssen nichts erdulden, nix aushalten. Sie können und dürfen sich Hilfe holen.

Ann-Kathrin Canjé: Und vielleicht auch wenn wir dann aber noch einmal die Beratungsangebote in den Fokus nehmen. Was müssen wir alle als Gesellschaft vielleicht dafür tun? Oder wie kann eben auch ein öffentlich-rechtliches Angebot wie KiKA dabei behelfen, damit dieser Wunsch von dir, diese Vision, in Erfüllung geht?

Sabine Marx: Für ein öffentlich-rechtliches Angebot, wie der KiKA das ja anbietet für Kinder ist es perspektivisch wichtig, auch dort zu sein, wo die Kinder sind. Und das ist nun mal auch die digitale Welt. Der Punkt ist und die Verantwortung von solchen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen ist ja genau auch nicht per se alles mitzumachen, was möglich ist, sondern auch zu gucken. Okay, wie sieht es mit dem Datenschutz aus? Wie sieht es mit dem Jugendschutz aus? Und da trägt natürlich der KiKA eine große Verantwortung. Aber ich denke, da wird sich in den nächsten Jahren auch einiges entwickeln. Und da ist es auch wichtig, auch diese Entwicklung mitzubegleiten und zu gucken: Wo sind da Möglichkeiten? Wo können wir präsent sein? Und wo können wir dieses wertvolle Angebot, was quasi im analogen, linearen Fernsehen ja gegründet wurde. Wie kann sich das weiterentwickeln? Und wo können wir da Kinder mit diesem wertvollen Angebot, was wir haben, auch in der digitalen Welt begleiten?

Ann-Kathrin Canjé: Jetzt haben wir über so eine generelle Zukunftsvision gesprochen. Vielleicht jetzt noch mal auf die nahe Zukunft geblickt und an den Ukraine-Krieg gedacht, über den wir eingangs sprachen. Was ist denn da dann Zukunftswunsch für die Generation Alpha?

Sabine Marx: Das sieht diese Erfahrung eines Krieges in Europa und auch die Auswirkungen, die wir hier in Deutschland und auch in anderen Ländern spüren, dass sie das in ihr junges Leben integrieren können und die Erfahrung machen: Ja, es gibt schwere Zeiten, es gibt Auseinandersetzungen, es gibt Kriege, doch wir sind dem nicht hilflos ausgeliefert. Wir können auch für die Gerechtigkeit uns engagieren. Wir können uns solidarisch zeigen und wir können uns auch gerade wenn es uns nicht gut geht gegenseitig unterstützen.

Ann-Kathrin Canjé: Ein hilfreicher und ja, vielleicht auch irgendwie ein tröstender Gedanke zum Abschluss. Und eine letzte Sache wäre dann noch. Sabine, wenn ich jetzt zu dir sage: Ab morgen kannst, darfst, sollst du eine konkrete Maßnahme umsetzen für die Generation Alpha zum Beispiel, damit die Beratungsangebote noch mehr Kinder erreichen. Welche Maßnahme wäre das?

Sabine Marx: Das Kinder ab morgen alle zu hundert Prozent Messenger-Dienste auf ihren Smartphones nutzen und die da installiert haben, die alle relevanten Daten- und Jugendschutzkriterien abdecken, sodass sie sich darüber wirklich geschützt austauschen können und darüber dann auch geschützt beraten werden können.

Ann-Kathrin Canjé: Kummerkasten Expertin Sabine Marx bleibt hoffnungsvoll und voller Ideen. Vielen Dank für deine wertvollen Tipps und deine Zeit Sabine.

Sabine Marx: Sehr gerne.

Ann-Kathrin Canjé: Ich bin froh, dass ich heute mit Sabine über die möglichen Hilfs- und Unterstützungsangebote für Kinder und Jugendliche sprechen konnte. In dieser aufwühlenden Zeit finde ich es wichtig, immer wieder zu schauen, wo wir konkret helfen und wie wir der Generation Alpha zur Seite stehen können. Ich selbst nehme auf jeden Fall mit, dass ich auch auf mich achten muss. Dass ich schauen muss, wie geht es mir gerade, damit ich dann mal im Umfeld und möglicherweise auch Kindern in meinem Umfeld eine Stütze sein kann und Hilfe leisten kann. Ich glaube, das ist auch nochmal ein wichtiger Tipp für alle Eltern, die heute zuhören. Ein umfassendes Angebot mit konkreten Antworten auf Fragen rund um den Krieg in der Ukraine, Nachrichten für Kinder, Berichte über Kinder aus der Ukraine finden Sie übrigens auf kika.de und Hilfsangebote natürlich auf kika-kummerkasten.de. Für Kinder, die akute Hilfe benötigen, gibt es auch die Nummer gegen Kummer, die wir schon erwähnt haben, unter der 116111. Für Erwachsene gibt es da das Elterntelefon. Das Transkript zu dieser Folge und einen Link zum Kummerkasten und weitere Hilfsangebote finden Sie auch auf dem KiKA Kommunikationsportal. Wir verlinken Ihnen das noch mal. Da gibt es natürlich auch alle unsere Podcast-Folgen, die bisher erschienen sind und jeden zweiten Mittwoch erscheint dort eine neue Episode. Hören Sie gerne wieder rein. Passen Sie auf sich auf. Ich freue mich. Bis zum nächsten Mal.

[Outro] „Generation Alpha – Der KiKA-Podcast“