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Transkript zu Episode 20: „Wir brauchen Vorbilder aus allen Bereichen der Gesellschaft.“ Welche Rollenvorbilder brauchen Kinder heute? Darüber sprechen Leni Bolt („Queer Eye Germany“) und Suzanna Randall (Astrophysikerin) mit Ann-Kathrin Canjé.

„Ich wünsche mir für die Generation Alpha, dass sie ohne Vorurteile aufwächst.“ – „Wir sind heute einen Schritt weiter“, findet Leni Bolt. Je mehr Diversität Medien zeigen, desto mehr Vorbilder können alle Menschen finden.

Leni Bolt: Also ich glaube, wir brauchen queere Vorbilder. Wir brauchen Vorbilder aus allen Bereichen. Wir müssen halt unsere Gesellschaft abbilden, und das wird ein… Ich weiß nicht, wenn ein Kind - ein kleiner Junge - ein homosexuelles Paar sieht, wird es diesen Jungen nicht schwul machen. Es wird ihn einfach nur toleranter machen. Und das ist so wichtig.

Suzanna Randall: Heute gibt es immer mehr Mädchen, die auch irgendwie selbstbewusst und stark sind. Die eben Mädchen zeigen: Hey, man muss nicht immer von dem Prinzen gerettet werden. Und ich glaube, sowas braucht es einfach verstärkt und einfach Frauen, die nicht im Bezug zum Mann wertvoll sind für die Geschichte oder wertvoll an sich, sondern eben als eigenständige Figuren - und davon gibt es in der deutschen Medienlandschaft und auch in den Filmen immer noch viel zu wenige.

[Intro] „Generation Alpha - Der KiKA-Podcast“

Ann-Kathrin Canjé: Dazu ein herzliches Willkommen heute von mir, Ann-Kathrin Canjé. Wir widmen uns in dieser Folge der Frage, warum es im Jahr 2022 eigentlich noch Rollenvorbilder braucht und vor allem, welche es da braucht. Zum Beispiel mehr diverse Vorbilder, wie queere oder technikaffine Figuren, die die Welt retten. Als Journalistin trägt ja auch meine Arbeit dazu bei, Realitäten abzubilden und wenn ich da zum Beispiel nach Expert*innen, Protagonist*innen suche oder Texte schreibe, bin ich oft damit konfrontiert, mal andere Perspektiven zu finden - nicht stereotyp zu erzählen. Und welche Vorbilder die Generation Alpha da braucht, darüber möchte ich heute mit zwei tollen Gäst*innen sprechen. Nummer eins ist Leni Bolt. Leni arbeitet als Work-Life-Coach*in und gibt im Podcast „Grow and Flow“ zum Beispiel Tipps für mehr Zufriedenheit am Arbeitsplatz. Und vorher hat Leni Modedesign studiert, ist von Deutschland nach Mallorca ausgewandert. Und Leni gehört seit diesem Jahr zu den „Fab Five“ der deutschen Version von „Queer Eye“ auf Netflix. Außerdem identifiziert sich Leni als nicht-binär. Das heißt, Leni identifiziert sich weder komplett als Mann noch als Frau. Mit uns im Gespräch ist Suzanna Randall, promovierter Astrophysikerin, moderiert und recherchiert bei „Terra X Lesch & Co.“ zu wissenschaftlichen Themen, hat Bücher übers Weltall veröffentlicht und moderiert den Podcast „Kosmos Musik“ vom BR. Suzanna will mit Hilfe einer dafür eigens gegründeten Initiative als erste Astronautin Deutschlands zur ISS ins Weltall fliegen. Zwei spannende Gäst*innen und wir hören mal in ihre Vision für die Generation Alpha rein, die sie uns mitgebracht haben.

Leni Bolt: Also ich wünsche mir für die Generation Alpha, dass sie eben komplett ohne Vorurteile aufwächst und dass sie die eigene Identität, Berufswahl was auch immer, ganz frei entscheiden kann, je nachdem was halt so die Vorlieben sind. Weil ich bin mit ganz vielen Vorurteilen groß geworden. Und das musste man sich so frei erkämpfen - muss ich auch immer noch. Und es wäre doch so schön, wenn die Kids von morgen einfach das machen können, worauf sie Bock haben. Egal welches Geschlecht sie haben, egal wo sie herkommen.

Suzanna Randall: Die kommende Generation wird vor so vielen Herausforderungen stehen. Also wir sehen das jetzt gerade - Klimawandel, soziale Ungerechtigkeiten und so weiter - dass ich wirklich hoffe, dass sie ihre Energie dann auf diese wirklichen Herausforderungen konzentrieren können und eben nicht davon aufgehalten werden, dass die Gesellschaft ihnen Sachen nicht zutraut oder keinen wirklichen Platz einräumt.

Ann-Kathrin Canjé: Generation Alpha - nochmal ein kurzer Hinweis - ist die Generation, die ab circa 2010 geboren wurde und in der digitalen Welt aufwächst. Mit Leni und Suzanna möchte ich auf die Rollenvorbilder schauen, die sie in ihrer Kindheit hatten, welche sie gerne gehabt hätten und welche sie der Generation Alpha wünschen. Und auch darüber, welche Genderklischees ihnen heute immer noch in der Medienwelt begegnen. Hallo Leni, hallo Suzanna. Schön, dass ihr heute bei uns im Podcast seid.

Leni Bolt: Danke, dass wir da sein dürfen.

Suzanna Randall: Hallo, ich freue mich.

Ann-Kathrin Canjé: Bevor es losgeht: Aufs „Du“ hatten wir uns schon geeinigt. Ich möchte noch kurz wissen, welche Pronomen ihr für euch nutzen.

Leni Bolt: Also ich nutze die Pronomen „sie“ im Deutschen für mich, „sie/ihr“ und „they/them“ im Englischen.

Suzanna Randall: Also ich würde jetzt, da wir auf Deutsch sprechen, würde ich einfach „sie“ sagen

Ann-Kathrin Canjé: Danke, ich benutze die Pronomen „sie/ihr“ und würde gerne ins Gespräch reinstarten mit einer kleinen Rückschau. Wenn ihr jetzt mal so an eure Kindheit zurückdenkt: Welche Vorbilder oder Menschen die euch inspiriert haben, hattet ihr da zum Beispiel im Kinderfernsehen.

Leni Bolt: Also mein absolutes Vorbild war damals die „Biene Maja“ oder auch „Tabaluga“. Also die beiden, an die erinnere ich mich sehr stark und habe ich sehr, sehr gern geschaut die Sendungen

Suzanna Randall: Es ist lustig. Bei mir waren es tatsächlich dann wirklich Mädchen oder Frauen. Also ich hatte als wirklich großes Vorbild - die ist jetzt leider nicht in der deutschen Medienlandschaft so vertreten gewesen – „Sally Ride“. Das war die erste westliche Astronautin. Die fand ich ganz, ganz toll. Und in der deutschen Medienlandschaft war es eher so Richtung „Pippi Langstrumpf“ und wen ich ganz toll fand war „Ronja Räubertochter“. Also vielleicht auch eher Mädchen, die ein bisschen rebellieren vielleicht auch der Norm nicht entsprechend.

Ann-Kathrin Canjé: Also so ein bisschen die Astrid-Lindgren-Fraktion und die Comic-Fraktion. Die kommen mir ja natürlich bekannt vor. Und bei mir waren das eher so „Sailor Moon“ oder „Chili das Schaf“. Also beides mutige Vorbilder. Und was hat denn diese wenigen Vorbilder, die ihr vielleicht hattet, für euch so besonders gemacht? Warum waren das eure Vorbilder?

Suzanna Randall: Also ich glaube, die Vorbilder, die ich dann hatte, das waren schon die, die es jetzt heutzutage viel mehr gibt. Also ich bin noch in einer Generation aufgewachsen, wo zum Beispiel bei meinen Freunden und Freundinnen die meisten Mütter eben nicht gearbeitet haben und noch zuhause waren. Und das war auch in der Medienlandschaft meistens so. Und deswegen fand ich eben auch diese Figuren wie „Pippi Langstrumpf“, „Ronja Räubertochter“, die fand ich super, weil die einfach ihr eigenes Ding gemacht haben. Die hatten halt keine Angst. Die hatten auch keine Angst, irgendwie blöd angeschaut zu werden oder für nicht normal gehalten zu werden, oder sowas. Also ich glaube wirklich, dieses Ausbrechen aus den damals wirklich noch stark verankerten Rollenklischees ist das, was mir an diesen Persönlichkeiten gefallen hat.

Leni Bolt: Ich muss sagen, wenn man jetzt so ein bisschen auf das Thema Queerness schaut, haben mir damals eigentlich Vorbilder gefehlt. Und witzig dass du gerade „Sailor Moon“ gesagt hast, weil bei „Sailor Moon“ und bei vielen anderen Anime werden tatsächlich ganz oft so Genderklischees aufgebrochen. Es gibt auch lesbische Paare zum Beispiel bei „Sailor Moon“ oder Männer, die sehr androgyn aussehen, sehr weiblich. Und das habe ich dann später im Teenageralter für mich entdeckt und war ein riesen Anime und Manga-Fan. Aber so als Kind hatte ich das tatsächlich nicht. Also es gab keine queeren Idole, queeren Vorbilder. Weder jetzt im Comic als auch so im Real Life. Und da glaube ich, dass wir heute da einen Schritt weiter sind.

Ann-Kathrin Canjé: Und Leni, du arbeitest heute selbständig als Work-Life-Coach*in und hast auch als Modedesigner*in gearbeitet. Wie war das denn für dich so ohne wirkliche, zum Beispiel eben nicht binäre Vorbilder, in die Arbeitswelt einzusteigen?

Leni Bolt: Also der Einstieg in die Arbeitswelt war für mich sehr holprig, muss man sagen. Ich hatte mein Modedesign-Studium damals abgeschlossen, wollte einfach nur einen Nebenjob finden, im Verkauf im Modebereich. Und ich habe einfach partout keinen Job bekommen. Ich habe mich beworben, überall. Wurde auch eingeladen zu Bewerbungsgesprächen, aber auch nicht so viel. Und dort wo ich eingeladen wurde, habe ich gemerkt: Okay, irgendwie scheint meine Identität ein Problem zu sein. Es gab es sogar einen Recruiter - an das Gespräch erinnere ich mich noch ganz genau - der gesagt hat, dass er Sorge hat, dass ich abschreckend wirken könnte auf die Kundschaft, die reinkommt. Und das war der Moment, wo ich gesagt habe: Ich habe keine Lust da mitzuspielen. Ich habe keine Lust, auf meine Identität so reduziert zu werden. Und dann habe ich mich selbstständig gemacht.

Ann-Kathrin Canjé: Denkst du, das hätte dir schon auch geholfen, wenn du - eben sprachen wir von Kinderfernsehen, von Serien, die euch geprägt haben - wenn du da schon so Vorbilder gehabt hättest und vielleicht dich mehr gesehen gefühlt hättest.

Leni Bolt: Ja total, es geht ja eigentlich immer um Repräsentanz. Und ich glaube, dass wir nur was erreichen, wenn wir auch die Diversität unserer Gesellschaft abbilden und auch in den Medien abbilden. Und je mehr Diversität wir haben, desto mehr können sich auch Menschen wie ich - also die sich als nicht-binär identifizieren eben - Vorbilder suchen und sehen: Wow, es gibt Menschen da draußen, die haben ein ganz normales Leben. Die haben einen Job. Die haben eine Karriere. Und das hat mir damals gefehlt und ich war sehr, sehr unsicher auch.

Ann-Kathrin Canjé: Suzanna, bei dir ist es ja vielleicht noch mal anders. Du findest dich da in den Medien generell bestimmt eher wieder. Aber wenn wir auch mal auf deinem Berufsbild schauen, dann hört es vielleicht ganz schnell wieder auf, würde ich mal denken. Du willst als erste deutsche Astronautin ins Weltall fliegen. Wie war das denn in deiner wissenschaftlichen Laufbahn? Bist du da auf Hürden gestoßen?

Suzanna Randall: Jein, muss ich sagen. Also ich finde sehr interessant, jetzt auch Leni zuzuhören, weil sie glaube ich auf noch ganz andere Hindernisse gestoßen ist. Also mir hat, glaube ich, nie jemand gesagt, dass ich eventuell abschreckend wirken könnte auf irgendjemand. Also das ist nochmal ein ganz, ganz anderes Level. Aber klar, da war schon – also vor allen Dingen in meiner Jugendzeit muss ich sagen - also je weiter ich dann fortgeschritten bin, im Beruf, je mehr ich aufgestiegen bin, in der Karriereleiter, desto weniger wurde das alles. Aber gerade am Anfang waren da schon ganz, ganz viele Vorurteile. Als ich war zum Beispiel, bei meiner Promotion, war ich eben die einzige Frau in der gesamten Physik dort in Kanada. Und das war dann schon schwierig damit umzugehen. Also ich musste mir dann natürlich auch blöde Sprüche anhören. Von wegen „Ach, was machst du denn hier? Du wirst doch sowieso nicht fertig“ und einfach solche Sachen. Oder „Hey, kannst du uns einen Kaffee machen?“ Also es wurde dann alles so halb im Scherz gesagt, aber das hat dann natürlich trotzdem irgendwo auch gesessen. Also gerade wenn man eben noch nicht dieses Selbstbewusstsein hat. Ich glaube, mit zunehmendem Alter und Erfahrung – ist es zumindest bei mir so - dass ich jetzt das Selbstbewusstsein auch habe zu sagen: „Hey Leute, das ist doch Quatsch.“ Und es kommt eben auf die Fähigkeiten an. Es kommt nicht darauf an, wie jetzt jemand aussieht oder was er oder sie repräsentiert, sondern auch auf die Fähigkeiten. Aber als junger Mensch hat man dieses Selbstvertrauen einfach noch nicht und das ist für mich auch der Grund, warum es so wichtig ist, gerade jetzt der Generation Alpha das mitzugeben. Weil das sind eben die Kinder und Jugendlichen von heute, die eben noch sehr formbar sind und die auch sehr auf Einfluss von außen schauen.

Ann-Kathrin Canjé: …Und die vielleicht Vorbilder suchen. So welche wie euch zum Beispiel. Leni, du bist Teil des, habe ich eingangs gesagt, der Netflix-Produktion „Queer Eye Germany“ und damit schaffst du ja auch Sichtbarkeit für nicht-binäre Menschen. Was bedeutet das für dich?

Leni Bolt: Als wir angefangen haben „Queer Eye“ zu drehen war für mich klar, Ok wow, sobald die Sendung draußen ist, werde ich wahrscheinlich auch eine Vorbildfunktion annehmen für Menschen, die sich ähnlich fühlen wie ich, die sich ähnlich identifizieren. Und ich hatte ein bisschen Angst davor, ehrlich gesagt, weil ich auch nicht genau wusste, was auf mich zukommt. Aber ich bekomme super viele Nachrichten bei Instagram von Menschen, die sich eben dadurch bestärkt fühlen. Einfach nur, dass sie mich sehen, was total verrückt ist, dass sie sich in ihrer Identität und auf ihrer Identitätssuche/-findung bestärkt fühlen. Und das gibt mir auf jeden Fall auch Kraft, weiterzumachen und ich bin etwas unfreiwillig zur Aktivist*in geworden. Weil viele Menschen sich eben für das Thema Nicht-Binarität/Transidentität interessieren und ich ganz oft eben dazu Dinge gefragt werde. Und dann habe ich irgendwann gesagt, okay das scheint meine Mission zu sein. Das scheint ein Teil meiner Aufgabe zu sein, darüber aufzuklären. Und deswegen mache ich das super gerne. Wenn ich auch nur einer Person damit helfen kann.

Ann-Kathrin Canjé: Suzanna, wie war das bei dir? Wann bist du dir dieser Vorbildfunktion zum ersten Mal bewusstgeworden?

Suzanna Randall: Also ich glaube, das war bei mir wirklich bei der Bewerbung schon für „Die Astronautin“. Also ich war dann unter sechs Finalistinnen, und da sind wir dann erstmals mit den Medien in Kontakt gekommen. Und klar, am Anfang war ich irgendwie total nervös. Ich hab sowas ja noch nie gemacht. Ich war immer nur in der Wissenschaft gewesen. Und da wurde mir zum ersten Mal auch bewusst, wie schlecht es einfach um die Geschlechtergleichheit in Deutschland sogar geht. Und das war trotzdem erst mal ein Schock. Also aus meiner wissenschaftlichen Blase ein bisschen rauszukommen und zu sehen: Okay, das sind erstmal die Leute, die wirklich 2022 noch glauben, dass Frauen an den Kochtopf gehören, so ungefähr. Das gibt es auch in Deutschland noch. Und aber zum anderen eben auch zu sehen: Hey, das sind ganz, ganz viele Mädchen, die teilweise in einem Gender-toxischen Umfeld noch aufwachsen und die ganz, ganz viele Selbstzweifel haben und denen gesagt wird: „Hey, ihr könnt das nicht. Und gerade jetzt irgendwie Mathe und Physik, das ist nichts für euch.“ Und diese Vorurteile begegnen mir immer wieder. Und mich hat das so schockiert, dass ich seit 20 Jahren, also seitdem ich irgendwie jung war und diesen Vorurteilen begegnet bin, dass sich da nichts geändert hat. Und da waren wir dann klar: Okay, ich werde wohl oder übel - einfach mit dem, was ich tue. Indem ich eben die erste deutsche Astronautin werden möchte – werde ich da eine Vorbildfunktion einnehmen müssen.

Ann-Kathrin Canjé: Du hast es gerade schon so ein bisschen anklingen lassen, Suzanna: Kann so eine Vorbildfunktion dann eigentlich auch belasten? Also würdet ihr die gerne mal ablegen können?

Leni Bolt: Ja, definitiv, weil es ist natürlich energieraubend und vor allem auch, weil ich eben sehr viel Gegenwind erfahre von Menschen, die sagen: „Hey, das gibt es nicht. Es gibt nur Mann und Frau, und es gibt irgendwie keine Grauzone und nichts dazwischen, obwohl es ja wissenschaftliche Belege auch dafür gibt.“ Und das ist manchmal energieraubend einfach. Ich kenne aber diese Tage, und dann ziehe ich mich einfach für ein paar Tage zurück, spreche nicht über das Thema und so kann ich dann auch wieder Energie und Kraft für mich sammeln, um da auch weiterzumachen und die Message weiter in die Welt hinauszutragen.

Ann-Kathrin Canjé: Suzanna, wie war das bei dir. Würdest du diese Vorbildfunktion gerne auch mal ablegen können?

Suzanna Randall: Ja, also ich finde das manchmal auch belastend, diese Vorbildfunktion zu haben, weil ich mir schon sehr genau überlege, was ich jetzt sage oder was ich auch irgendwie sagen kann. Vor allen Dingen, weil ich auch weiß, dass alles immer gegen einen verwendet werden kann und das leider in den sozialen Medien auch oft wird. Seitdem ich eben für die Astronautin tätig bin und eben viel in den Medien bin, mit der Öffentlichkeit interagiere, da merke ich, wie sehr die Rollenklischees noch verankert sind. Also das fängt damit an, dass ich jedes Mal, wenn ich ein Video mache zu einem wissenschaftlichen Thema wohlgemerkt, gefragt werde: „Wo ist denn Harald? Ach hat Harald heute schöne Haare.“ - Also mein bekannterer Co-Moderator, der schon viel länger dabei ist. Aber ich werde dann immer so als die weibliche und irgendwie ja süße kleine belächelte Version von ihm dargestellt - also teilweise in den User-Kommentaren. Und das ist dann schon auch als Diskriminierung zu verstehen. Auf der anderen Seite finde ich das natürlich auch wahnsinnig beglückend halt diese Vorbildfunktion inne zu haben, weil ich dann natürlich auch mit meiner eigenen Meinung, die natürlich subjektiv ist, hoffentlich etwas Gutes zu der Entwicklung dieser jungen Menschen beitragen kann. Indem ich zum Beispiel sage: „Hey, lasst euch nicht davon abhalten, zu machen was ihr wollt, nur weil irgendjemand anders sagt, das ist nichts für euch.“ Also ich hoffe, dass ich eben positiven Input hinaus in die Welt tragen kann. Aber klar ist auch manchmal anstrengend, und es kann auch natürlich nach hinten losgehen.

Ann-Kathrin Canjé: Stichwort Vorurteile. Darüber möchte ich auch gerne sprechen mit euch. Über genau diese Genderklischees, die du gerade auch schon angesprochen hast, Suzanna. Und auch über die Sichtbarkeit von Geschlechtern in den Medien. Und dazu würde ich ganz gern eine kleine, schnelle Fragerunde mit euch machen. Also ich nenne euch dazu einfach Stereotyp oder Vorteile rund um das Thema Rollenvorbilder und Gleichberechtigung. Sätze, die ihr vielleicht jetzt in eurem Bereichen schon mal gehört habt, die eben auch schon ein bisschen vorkamen. Und ihr antwortet, was ihr dem entgegnen würdet, okay?

Leni Bolt: Okay.

Ann-Kathrin Canjé: Satz eins: Also Frauen oder queere Menschen, die sich beschweren, dass sie in bestimmte Positionen gar nicht erst kommen, nutzen das doch nur als Ausrede, weil sie zu faul oder zu wenig talentiert sind. Wenn man sich nur anstrengend, kann man alles erreichen. Das hat nichts mit Geschlecht zu tun.

Suzanna Randall: Also das höre ich natürlich immer wieder auch gerne. „Ja, aber es sollten doch die besten genommen werden.“ Also gerade bei natürlich Astronauten und Astronautinnen. Und ich frage dann immer: Okay, aber wer bestimmt dann, wer die besten sind? Und das sind eben meistens immer noch Männer. Und deswegen glaube ich auch dieses, als Mensch kann man das gar nicht so runterbrechen, dass man sagt, der oder die ist eben jetzt die Beste. Das gibt es einfach nicht. Und wenn man eben nicht den gängigen Klischees entspricht, dann hat man es einfach schwerer. Und dann muss man besser sein als gut.

Ann-Kathrin Canjé: Leni, was würdest du auf den Satz antworten?

Leni Bolt: Das sagen immer nur Leute, die selber noch nie erfahren haben, dass sie eben benachteiligt werden aufgrund ihres Geschlechts, aufgrund ihrer Herkunft. Und ja, dem kann ich nur entgegenwirken: Versucht etwas offener an die Sache ranzugehen und versteht auch, dass manche Menschen eben aufgrund von der Sexualität, Identität, Herkunft ausgegrenzt werden. Und das passiert manchmal auch unsichtbar in der Arbeitswelt.

Ann-Kathrin Canjé: Nächster Satz auf den ihr reagieren dürft, zum Thema inklusive Sprache in den Medien: Aber der Genderstern stört den Lesefluss und auch in Radiobeiträgen beim Zuhören. Als Frau fühle ich mich auch vom generischen Maskulinum angesprochen.

Leni Bolt: Also ich kann das Argument nicht ganz nachvollziehen, weil ich mir denke: Gerade im Kindesalter - wenn wir über Kinder sprechen und auch die spätere Berufswahl zum Beispiel - wenn ich doch als junges Mädchen immer nur Arzt lese, Jurist, Lehrer, Polizist, dann kann ich mir noch gar nicht eine weibliche Person vorstellen. Und allein dafür finde ich es schon wichtig, dass wir gendergerecht schreiben und sprechen. Und alles ist eine Gewöhnungssache. Unsere Sprache hat sich schon immer verändert, deswegen glaube ich, dass wir auf einem guten Weg sind damit.

Suzanna Randall: Also, ich kann die Aussage nachvollziehen, weil ich zumindest ja vielleicht bis vor kurzem auch so gedacht habe. Also ich bin eben ohne das Gendersternchen aufgewachsen. Das wurde jetzt in den letzten Jahren immer mehr auch im Mainstream in den in den Medien verankert. Ich versuche es zu benutzen, wenn ich daran denke, denke aber nicht unbedingt immer dran. Ich muss sagen, ich persönlich habe mich immer vom generischen Maskulinum auch angesprochen gefühlt. Aber wenn die Debatte und das Gendersternchen dazu führt, dass jetzt eben sich Mädchen mehr angesprochen fühlen oder auch nicht-binäre Menschen sich mehr angesprochen und inkludiert fühlen, dann ist es auf jeden Fall eine gute Sache.

Ann-Kathrin Canjé: Kurz ein Einschub an dieser Stelle. KiKA hat im Frühjahr 2021 eine KiKA-eigene und bevölkerungsrepräsentative Studie durchgeführt, um herauszufinden, wie Kinder zwischen sechs und 13 Jahren geschlechtsspezifische Ansprachen eigentlich erleben. Also um rauszufinden, was sie eigentlich schon verstehen und was sie sich wünschen. Dafür hat die Studie geschaut, wie besonders der Genderstern beziehungsweise Glottisschlag, die Beidnennung oder das generische Maskulinum unter den Kindern so akzeptiert und verstanden werden. Ganz grob zusammengefasst kam dabei raus, dass junge Kinder die sogenannte Lücke eher nicht verstehen und nicht so gut sprechen können, aber dass Kinder ab circa zwölf Jahren genau das eher positiv bewerten. KiKA setzt jetzt aktuell auf die Doppelnennung oder genderneutrale Sprache und wird auch weiterhin den Sprachwandel im Blick behalten. Zum Beispiel in einer Kooperation mit der Uni Erfurt, um gemeinsam qualitativ weitere Aspekte zu geschlechtergerechter und gendersensibler Sprache zu erforschen. Ich bin gespannt. Zurück zu den Klischeesätzen.

Ann-Kathrin Canjé: Drittes Klischee oder dritter Satz: Frauen schaffen es nur nicht in Spitzenposition oder in MINT-Berufen - also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik - so weit, weil sie Kinder bekommen.

Suzanna Randall: Oh, das nervt mich dermaßen, dieses Vorurteil, weil es eben davon ausgeht, dass Kinder zu bekommen Frauensache ist. Aber das ist ja der kleinste Teil. Also der Großteil ist ja wirklich, die Kinder aufzuziehen, zu erziehen, sich um die zu sorgen und das können eben Männer, Frauen, nicht-binäre, Menschen alle gleichermaßen. Und das ist ja wirklich der Großteil der Zeit auch von der wir da sprechen. Deswegen ist es für mich kein Argument.

Ann-Kathrin Canjé: Letzter Satz: die ganzen queeren Figuren und das ständige Reden über Sexualität im Fernsehen indoktriniert unsere Kinder.

Leni Bolt: Ja, also das höre ich ja auch immer ganz oft. Ich habe auch letztens eine Kooperation gehabt mit einem Hörspielanbieter für Kinder. Und da wurde mir auch vorgeworfen, dass ich irgendwie die Kinder sexualisiere - einfach nur dadurch, dass ich über meine Identität und über andere Identitäten aufkläre, was ja im ersten Moment gar nichts mit Sexualität, sondern mit Identitätsfindung zu tun hat. Also ich glaube, wir brauchen queere Vorbilder. Wir brauchen Vorbilder aus allen Bereichen. Wir müssen halt unsere Gesellschaft abbilden, und das wird ein… ich weiß nicht. Wenn man jetzt, wenn ein Kind, ein kleiner Junge, ein homosexuelles Paar sieht, wird es diesen Jungen nicht schwul machen. Es wird ihn einfach nur toleranter machen. Und das ist so wichtig.

Suzanna Randall: Da bin ich hundert Prozent bei Leni. Also vor allen Dingen, was man diesen Menschen dann auch entgegen muss, ist das gerade Mädchen auch klassischerweise sehr stark sexualisiert werden. Also diese ganzen süßen kleinen Röckchen, Schminke für Mädchen. Also Mädchen werden ja schon sehr, sehr früh sexualisiert und da finde ich es sehr viel besser, einfach offen darüber zu sprechen, womit man sich wohlfühlt und wo nicht. Ob das jetzt eine andere Geschlechteridentität ist oder vielleicht auch, wie man sich jetzt als Mädchen oder auch als Junge anzieht - es wird ja auch immer offener. Ich finde es sehr, sehr viel besser, da unterschiedliche Rollen für Vorbilder zu haben und den Dialog zu führen, als einfach zu sagen: „Ah, gibt's nicht. Wir reden nicht darüber, weil das könnte es ja irgendwie schlimmer machen.“ Also das ist meiner Meinung nach totaler Quatsch.

Leni Bolt: Ja voll, und den Kindern einfach eben diese Möglichkeit zu geben, sich ihre eigenen Idole auch zu suchen und zu finden. Und ich glaube, das Problem ist bei den Eltern gar nicht mal das, wenn das eigene Kind das macht, sondern immer das, was könnten andere Leute denken. Was könnten andere Familien sagen? Was könnte die Erzieherin denken? Und ich glaube, das sind so diese Dinge, die man abschaffen muss, dass man selber auch selbstbewusst rausgehen muss und sagen kann: Egal, wohin mein Kind sich entwickelt, das ist okay und richtig so.

Ann-Kathrin Canjé: Ja, vielen Dank für eure Antworten. Das kam euch vielleicht an der einen oder anderen Stelle bekannt vor. Vieles davon ist mir auf jeden Fall schon mal irgendwo begegnet und es gibt eben viele Klischees und Vorurteile auch in der Medienlandschaft. Und dass wir da noch nicht so ganz gleichberechtigt und klischeebefreit unterwegs sind, das zeigt auch ein Blick auf Rollenklischees und Geschlechterdarstellungen in den Medien. Seit den 70ern gab es da nämlich genau zu diesem Thema verschiedene Studien und da noch der kurze Hinweis: Die sind natürlich meistens sehr binär gedacht und oft werden diverse Geschlechtsidentitäten gar nicht berücksichtigt.

Ann-Kathrin Canjé: Mal ein ganz kurzer Exkurs in ein paar dieser Studien: 1975 gab es eine von Erich Küchenhoff mit dem Titel „Die Darstellung der Frau und die Behandlung von Frauenfragen im Fernsehen“. Die wird laut Bundeszentrale für politische Bildung als eine Art Auftakt der Frauen- und Geschlechterforschung in der Kommunikations- und Medienwissenschaft gesehen. Demnach waren die Frauen massiv unterrepräsentiert und stereotyp dargestellt. 1990 gab es eine weitere Studie von Monika Weiderer, die hieß „Das Frauen- und Männerbild im deutschen Fernsehen“ und 2017 zum Thema audiovisuelle Diversität in Film und Fernsehen in Deutschland von der MaLisa-Stiftung. Die zeigen: Frauen beispielsweise sind deutlich unterrepräsentiert. Die Grundlage für die Studie von 2017 war eine detaillierte Analyse von über 3500 Stunden Fernsehprogramm aus dem Jahr 2016 sowie über 800 deutschsprachige Kinofilme aus den damals vergangenen sechs Jahren. Die aktuellste Folgestudie der MaLisa-Stiftung von 2021 zeigt, dass im deutschen Fernsehen zum Beispiel auf eine Frau zwei Männer kommen, immer noch weiße Menschen das Programm dominieren und aufs Kinderfernsehen bezogen - also interessant für die Generation Alpha - da sind es deutlich mehr männlich-gelesene Figuren als weibliche und auch zum Beispiel bei den Fantasiefiguren ist das so. Das hat sich im Vergleich zu 2016 etwas gebessert, aber trotzdem noch sehr stereotyp. Ich finde, diese Zahlen lassen ein bisschen erahnen, wie viele Klischees da täglich noch im Fernsehprogramm zu finden sind. Von Leni und Suzanna wollte ich, nachdem wir schon über Vorurteile gesprochen haben, wissen, welche Klischees sie im deutschen Fernsehen am meisten aufregen und welche Vorbilder ihn auch heute noch fehlen.

Suzanna Randall: Was mich immer noch aufregt, ist, dass das Mädchen oft eben die Gehilfin ist. Also es hat sich schon sehr geändert im Vergleich zu meiner Kindheit. Da gab es eigentlich kaum Mädchen, die irgendetwas anderes gemacht haben, als einfach süß aussehen und kichern und Angst haben und dann beschützt werden. Heute gibt es immer mehr Mädchen, die auch irgendwie selbstbewusst und stark sind, die eben Mädchen zeigen: Hey, man muss nicht immer von dem Prinzen gerettet werden. Und ich glaube, sowas braucht es einfach verstärkt. Und was es braucht vor allem auch für ältere Frauen - und da kommen wir jetzt vielleicht auch zu der Elterngeneration, die am Ende die Generation Alpha erzieht und somit extrem wichtig ist für die Generation Alpha. Ich glaube, wir müssen Frauen auch, nachdem sie vielleicht nicht mehr als Sexualobjekt in Frage kommen, auch noch zeigen. Also halt eben nicht die liebe sich aufopfernde Mutter oder Großmutter meinetwegen oder eben die attraktive Geliebte, sondern einfach Frauen, die nicht im Bezug zum Mann wertvoll sind für die Geschichte oder wertvoll an sich, sondern eben als eigenständige Figuren. Und davon gibt es in der deutschen Medienlandschaft und auch in den Filmen immer noch viel zu Wenige.

Ann-Kathrin Canjé: Leni, welche Klischees im deutschen Fernsehen regen dich denn so auf?

Leni Bolt: So richtig aufregen tut es mich nicht, aber es langweilt mich, wenn ich immer so Vater-Mutter-Kind Konstellation sehe und ich denke mir so: Ja, man könnte eigentlich auch mal mehr queere Familien zeigen. Ich finde auch, dass Lesben total unterrepräsentiert sind im deutschen Fernsehen. Und wenn, dann immer sehr klischeebehaftet.

Ann-Kathrin Canjé: Welche Vorbilder würdest du dir denn im deutschen Fernsehen da noch mehr wünschen?

Leni Bolt: Ich würde mir wünschen, dass wir mehr schwarze Frauen im deutschen Fernsehen sehen. Auch was so Moderationsjobs angeht, mehr POC-Menschen und mehr queere Menschen, die nicht als, ich sage mal, Clowns-mäßige Entertainmentfigur herhalten müssen. Also nicht als Paradiesvogel in Anführungsstrichen. Sowas regt mich schon auf. Das macht mich wütend, weil ich mir denke, wir sind ganz normale Menschen. Wir haben so viel mehr zu bieten. Wir müssen nicht als diese Clown-mäßige Entertainment-Figur herhalten. Und da sind wir auf jeden Fall noch auf einem langen Weg.

Ann-Kathrin Canjé: Nochmal zusammengefasst: Weibliche und diverse Rollenvorbilder können dabei helfen, Genderklischees abzubauen. Das zeigt auch zum Beispiel eine Studie des DIW jetzt in Bezug beispielsweise auch auf MINT-Berufe. Da können sich Kinder nämlich auch oft gar nicht vorstellen, dass beispielsweise Frauen in der Wissenschaft arbeiten können oder sie trauen es sich dann weniger zu. Und ich würde gern noch einmal von euch wissen aus eurer beruflichen Erfahrungen oder euren Blick auch auf Medien und die Wissenschaft. Was hilft denn eurer Meinung nach am meisten dabei Rollenklischees abzubauen.

Leni Bolt: Ja also, ich glaube tatsächlich, dass gendergerechte Sprache hilft. Dass es hilft, wenn wir mehr Diversität in den Medien auch zeigen. Und wenn wir eben schon bei den Kids anfangen, aufzuzeigen… ich weiß nicht, durch so Besuche von Leuten... ich weiß nicht so, eigentlich auch durch Menschen wie dich, Suzanna. Dass du wirklich, und das machst du ja auch, du leistest ja dadurch Aufklärungsarbeit, dass du als Frau dich da hinstellst und sagst: Hey, dieser Beruf ist für alle. Das ist vielleicht noch ein männerdominierter Beruf, aber ihr könnt das auch machen. Auch wenn du ein Mädchen bist. Auch wenn du nicht-binär bist. Ich glaube durch diese Gespräche, durch gendergerechte Sprache und durch das Auflösen des Gender-Pay-Gaps - was natürlich damit zusammenhängt - sind wir, glaube ich, auf einem guten Weg.

Suzanna Randall: Ja also, ich denke, es sind vor allem die Vorbilder und die Akzeptanz in der Gesellschaft, die dann auch ja mit den Vorbildern zusammenhängt. Also je mehr wir jetzt eben - ob es Frauen in der Wissenschaft sind, nicht-binäre, Menschen, Transmenschen, was auch immer - je mehr wie die in der Gesellschaft und natürlich auch in den Medien sehen, desto normaler wird es in unserem Empfinden. Und das Wichtigste ist, dass es dann nicht nur ein oder zwei Vorbilder gibt, sondern eben eine ganze Menge. Also man hat ja immer wieder gezeigt, dass diese kritische Menge in jedem Komitee, dass man sich eben nicht als Minderheit oder Außenseiter fühlt, um die 30 Prozent sind. Das kann man sicher nicht für jede Minderheit erreichen. Das ist klar. Aber es ist einfach wichtig, nicht nur jetzt die eine Transperson zum Beispiel im Fernsehen zu haben, die ja dann wieder irgendwo stereotypisch ist, weil sie eben so ist, wie sie ist. Oder die eine wissenschaftliche Moderatorin, die ja auch so ist wie sie ist und dann für sich wieder einen Stereotyp darstellt. Sondern eben unterschiedliche Personen, die eben diese eine Sache verkörpern.

Ann-Kathrin Canjé: Mit Blick auf die Generation Alpha: Welche Vision habt ihr denn für die im Bereich der Rollenvorbilder? Was wünscht ihr euch für die Generation Alpha?

Leni Bolt: Also ich wünsche mir für die Generation Alpha, dass sie eben komplett ohne Vorurteile aufwächst und dass sie die eigene Identität, Berufswahl was auch immer ganz frei entscheiden kann, je nachdem, was halt so die Vorlieben sind. Weil ich bin mit ganz vielen Vorurteilen groß geworden und das musste man sich so frei erkämpfen - muss ich auch immer noch. Und es wäre doch so schön, wenn die Kids von morgen einfach das machen können, worauf sie Bock haben. Egal, welches Geschlecht sie haben, egal, wo sie herkommen. Ja, das ist so ein bisschen meine Utopie.

Suzanna Randall: Ja, ich hoffe das auch. Also vor allen Dingen, weil es ja sehr viel Energie kostet. Also das habe ich jetzt bei Leni rausgehört, kenne das aber natürlich auch aus meiner eigenen Erfahrung. Es kostet einfach wahnsinnig viel Energie, gegen Vorurteile anzukämpfen und sich immer wieder selbst sagen zu müssen: Ne, ich bin okay so wie ich bin. Wenn ich denke, die kommende Generation wird vor so vielen Herausforderungen stehen. Also wir sehen das jetzt gerade - Klimawandel, soziale Ungerechtigkeiten und so weiter - dass ich wirklich hoffe, dass sie ihre Energie dann auf diese wirklichen Herausforderungen konzentrieren können und eben nicht davon aufgehalten werden, dass die Gesellschaft ihnen Sachen nicht zutraut oder keinen wirklichen Platz einräumt.

Ann-Kathrin Canjé: Dankeschön, wir sind schon am Ende unserer Folge und das begehen wir immer mit einer konkreten Maßnahme, die unsere Gäst*innen vorschlagen dürfen. Wenn ihr morgen sofort eine Maßnahme umsetzen könntet in Bezug auf Rollenvorbilder in den Medien. Was wäre das?

Suzanna Randall: Als ganz krasse Maßnahme: Das man vielleicht sagt: Okay, ein Jahr lang werden alle Wissenschaftssendungen eben nicht von weißen, hetero, cis-Männern gehostet, sondern eben von Menschen, die man vielleicht in dieser Rolle nicht erwartet. Also es geht ja gar nicht darum, die Wissenschaftler, die es gibt, zu verdrängen, sondern dass man einfach zeigt: Hey, es geht auch anders. Also darum geht es mir.

Leni Bolt: Das finde ich auch cool… Also ich würde auf jeden Fall queer-freundliche Kinderbücher verteilen in den Kindergarten und überall. Und ich habe auch einige Freund*innen, die selber so ein Buch schon rausgebracht haben. Riccardo Simonetti zum Beispiel mit seinem Buch „Raffi und sein pinkes Tutu“. Oder Max Appenroth, der eine Geschichte erzählt von einem Elternteil, der eine Transition durchlebt, aber aus der Sicht des Kindes. Und ich glaube, dass solche Geschichten für Kinder total spannend sind und auch wiederum halt aufzeigen, wie vielfältig unsere Welt ist.

Ann-Kathrin Canjé: Queer-freundliche Kinderbücher für alle und andere Menschen hinter der Kamera, vor der Kamera, im zum Beispiel wissenschaftlichen Bereich für die Generation Alpha - das wünschen sich meine Gäst*innen Leni und Suzanna. Ihr beiden, vielen Dank für eure Zeit und das interessante Gespräch.

Suzanna Randall: Das war ganz, ganz spannend

Leni Bolt: Ich danke euch und hoffentlich bis ganz bald auch mal live.

Ann-Kathrin Canjé: Das war für mich nicht nur ein interessantes Gespräch, sondern vor allem ein persönliches. Ich finde, in dieser Folge konnten wir sehr viel über unsere Gäst*innen erfahren. Sie haben sehr ehrlich und offen geschildert, welche Vorbilder sie sich gewünscht hätten, welche Diskriminierungen sie schon erlebt haben. Davon lässt sich, glaube ich, gut ableiten, wie wichtig Vorbilder für die Generation Alpha sind und dass das jetzt nicht nur ein Klischee ist, zu sagen, dass es solche braucht. Im Gespräch habe ich jetzt schon gesagt, Leni und Suzanna sind nicht nur einfach präsent in den Medien, sie sind auch starke Vorbilder. Und mich freut es, dass auch sie so das Gefühl haben, dass sich langsam etwas tut in unserer Medienwelt. Ich nehme selbst nochmal den Gedanken mit, welche Verantwortung tagtäglich bei uns liegt, wenn wir Bilder und Zitate in die Welt geben und das es auch darauf ankommt, wie wir Menschen repräsentieren - nicht nur, dass wir repräsentieren. Und was ich noch kurz sagen will: Ich habe in dieser Folge zum ersten Mal meine Gesprächspartner*innen nach ihren Pronomen gefragt. Das hat mich auch zum Nachdenken angeregt, wie wir auch mehr Sensibilität schaffen können - etwa für das Thema Geschlechtsidentität in den Medien - wenn wir bei solchen Gesprächen auch ganz selbstverständlich nach Pronomen fragen. Vielleicht kann das ein Weg sein. Wenn Sie jetzt Lust haben auf weitere Folgen von „Generation Alpha - Der KiKA-Podcast“: Die finden Sie nicht nur auf dem KiKA-Kommunikationsportal, sondern auch in der ARD Audiothek und auf allen gängigen Podcast-Plattformen. Die jeweiligen Transkripte zu den einzelnen Podcast-Folgen und weiterführende Links gibt es auf kommunikation.kika.de. Mein Name ist Ann-Kathrin Canjé. Ich freue mich, Sie bald wieder an dieser Stelle begrüßen zu dürfen. Bleiben Sie gesund und bis zum nächsten Mal.

[Outro] „Generation Alpha - Der KiKA-Podcast“

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