Empowerment
Eine ganze Menge Vorbilder
Welchen Rollenklischees begegnen wir heute noch in den Medien, und kann inklusive Sprache helfen, Stereotypen abzubauen? Ein Gespräch mit der queeren Aktivistin Leni Bolt und der Astrophysikerin Dr. Suzanna Randall, die als erste Deutsche dafür trainiert, zur Raumstation ISS zu fliegen.
Wenn man sich nur anstrengt, kann man alles erreichen. Das hat nichts mit Geschlecht zu tun. Was antwortet ihr darauf?
Suzanna Randall: Wer bestimmt denn, wer die Besten sind? Das sind meistens immer noch Männer. Wer nicht den gängigen Klischees entspricht, hat es einfach schwerer. Dann muss man besser sein als gut.
Leni Bolt: Das sagen nur Leute, die selber noch nie erfahren haben, dass sie aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Herkunft benachteiligt werden.
Der Genderstern stört den Lesefluss und auch in Radiobeiträgen beim Zuhören. Wie ist da Eure Antwort?
LB: Wenn ich doch als junges Mädchen immer nur Arzt, Jurist, Lehrer, Polizist lese, kann ich mir da eine weibliche Person vorstellen? Allein dafür finde ich es schon wichtig, dass wir gendergerecht schreiben und sprechen. Unsere Sprache hat sich schon immer verändert, das ist Gewöhnungssache.
SR: Die Aussage kann ich nachvollziehen, ich bin eben ohne das Gendersternchen aufgewachsen. Heute versuche ich es zu benutzen, denke aber nicht unbedingt immer dran. Ich persönlich habe mich immer vom generischen Maskulinum angesprochen gefühlt, wenn aber die Debatte dazu führt, dass sich Mädchen und auch nicht-binäre Menschen mehr angesprochen und inkludiert fühlen, dann ist es eine gute Sache.
Was hilft denn eurer Meinung nach am meisten dabei Rollenklischees abzubauen?
LB: Gendergerechte Sprache hilft. Es hilft auch, wenn wir mehr Diversität in den Medien zeigen, und damit die Botschaft senden: Hey, dieser Beruf ist für alle. Das ist vielleicht noch ein männerdominierter Beruf, aber ihr könnt das auch machen.
SR: Je mehr wir Frauen, nicht-binäre Menschen, trans*-Menschen in der Wissenschaft, in der Gesellschaft und natürlich auch in den Medien sehen, desto normaler wird es in unserem Empfinden. Wichtig ist, dass es nicht nur ein oder zwei Vorbilder gibt, sondern eben eine ganze Menge.
Noch eine populäre These: Die ganzen queeren Figuren und das ständige Reden über Sexualität im Fernsehen indoktriniert unsere Kinder. Was sagt ihr dazu?
LB: Mir wurde schon vorgeworfen, dass ich Kinder sexualisiere, weil ich über meine Identität und über andere Identitäten aufkläre. Das hat im ersten Moment gar nichts mit Sexualität, sondern mit Identitätsfindung zu tun. Ich glaube, wir brauchen Vorbilder aus allen Bereichen, und Eltern, die sagen: Egal, wohin sich mein Kind entwickelt, das ist okay und richtig so.
SR: Gerade Mädchen werden sehr stark sexualisiert, mit kleinen Röckchen oder Schminke. Ich finde es sehr viel besser, offen darüber zu sprechen, womit man sich wohlfühlt und womit nicht.
Welche Klischees in den deutschen Medien regen euch noch auf, und welche Vorbilder fehlen?
SR: Mädchen sind noch oft als Gehilfin zu sehen. Zwar gibt es heute mehr Mädchen, die selbstbewusst und stark sind, und Frauen, die nicht nur in ihrer Beziehung zu einem männlichen Protagonisten wertvoll sind für die Geschichte. Frauen aber als eigenständige Figuren – davon gibt es in der deutschen Medienlandschaft und auch in den Filmen immer noch viel zu wenige.
LB: Es langweilt mich, wenn ich immer nur klassische Vater-Mutter-Kind-Konstellationen sehe. Ich würde mir wünschen, dass wir mehr POC-Menschen und mehr queere Menschen sehen, die nicht als klischeebehaftete clownsmäßige Entertainmentfigur herhalten müssen. Da haben wir noch einem langen Weg vor uns.
Welche Vision habt ihr denn im Bereich der Rollenvorbilder, was wünscht ihr euch für die Generation Alpha?
LB: Es wäre so schön, wenn die Kids von morgen das machen können, worauf sie Bock haben. Egal, welches Geschlecht sie haben, egal, wo sie herkommen.
SR: Es kostet viel Energie, gegen Vorurteile anzukämpfen und sich immer wieder selbst sagen zu müssen: Ich bin okay, so wie ich bin. Die kommende Generation wird vor so vielen Herausforderungen stehen – Klimawandel, soziale Ungerechtigkeiten und so weiter – ich hoffe, dass sie ihre Energie darauf konzentrieren können und nicht von einer Gesellschaft aufgehalten werden, die ihnen das nicht zutraut oder ihnen keinen Platz einräumt.