Humor

Humor und Selbstironie machen uns weniger verletzlich

Humor macht Krisen erträglicher, er kann aber auch verletzen. Kinder haben dafür ein feines Gespür, sagen der „Bernd das Brot“-Erfinder Tommy Krappweis und der „Moooment!“-Autor Joy Chun.

Humor hat keine einheitliche Definition. Es ist die Fähigkeit und Bereitschaft auf bestimme Dinge heiter und gelassen zu reagieren, sagt der Duden. Was bedeutet Humor für dich, Tommy?

Tommy Krappweis: Humor ist das größte, wichtigste und allumfassendste Lebenselixier, das ich habe, das mir immer bei allem grundsätzlich hilft. In der Familie war das das A und O. Ich konnte mit meinem Vater und er mit mir jetzt nicht so wahnsinnig viel anfangen, weil unsere Interessen so getrennt waren. Also wir haben uns lieb gehabt, aber wir konnten nicht so richtig was zusammen machen. Er war Leistungssportler und ich das Gegenteil. Aber wir hatten beide den Humor und konnten beide einen Schritt zurück machen und darüber lachen, dass wir so unterschiedlich sind. Und das wiederum hat uns zusammengehalten.

Was meinst du, Joy, welche Bedeutung hat Humor für die Kinder der Generation Alpha?

Joy Chun: Einen riesigen Stellenwert. Und wenn man die Kids beobachtet, merkt man auch, wie sie mit Humor umgehen und welche neuen Facetten siemit zunehmendem Alter dazulernen. Humor nimmt ein bisschen den Druck raus, wenn es eine schwierige Situation gibt. Und es schweißt zusammen, wenn man gemeinsam über Sachen lachen kann. Ich finde es toll, dass es bei so Acht-, Neun-, Zehnjährigen halt komplett ungefiltert rauskommt. Entweder es wird dieser Lach-Impuls ausgelöst oder eben nicht.

Oder eben nicht …?

JC: Ich finde Kindergeburtstage sind das schwerste Publikum, das man haben kann – aus eigener Erfahrung. Wenn da Stille ist, ist es halt still, da kannst du den Gag auch nicht erklären. Das bringt gar nichts.

TK: Das ist ja generell bei Humor so: Du kannst einem Testpublikum einen Thriller zeigen. Dann ist halt Stille. Du kannst ihnen ein Drama zeigen, es wird still und jemand schnieft. Aber wenn du ihnen Comedy zeigst und keiner lacht, dann weißt du ganz genau, irgendwas funktioniert nicht. Aber generell ist es so, Lachen kann man gar nicht überschätzen, so wichtig ist das.

Wir leben in Zeiten von Krieg und Corona: Müssen Kinder da auch einfach eben mal lachen dürfen? Und wenn ja, wie kann Humor da helfen?

JC: Ja, gerade bei heiklen oder schwierigen Themen ist es doch schön, wenn man sich dem Ganzen mit Humor annähern kann. Ohne dass die Ernsthaftigkeit des Themas darunter leidet. In solchen Situationen ist es unglaublich wichtig, dass man ein Ventil findet, damit umzugehen – und Lachen ist so ein Ventil.

TK: Als ich aufgewachsen bin, war ja dieser Druck des Kalten Krieges allgegenwärtig. Also die Gefahr eines Atomschlags und all diese Dinge lauerten die ganze Zeit. Und trotzdem haben wir gelacht oder gerade deswegen, keine Ahnung. Aber das ist auf jeden Fall extrem, extrem wichtig.

JC: Und damit spielt man das, was einen belastet, ja nicht runter. Sondern es ist eine Art des Umgangs mit der Situation. Und vor allen Dingen für Kids eine, die hilft.

TK: Ich finde, selbst wenn es ein Format ist, das die Leute einfach nur zum Lachen bringt, ist das auch genauso ein Dienst an der Gesellschaft. Unterhaltung ist ja auch Teil des Auftrags, den das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat.

Apropos, was können wir denn von Bernd das Brot lernen?

TK: Bernd lebt dir vor, dass du mit Humor und Selbstironie weniger verletzlich bist. Und vielleicht der wichtigste Punkt ist: Es ist total okay, wenn es dir mal nicht gut geht. Das ist völlig in Ordnung. Sag’s einfach: „Mann, ist das ein Scheißtag. Ich habe jetzt echt kein Bock drauf.“ Sag‘s, und sorg dafür, dass die Menschen um dich herum das auch mal akzeptieren. Es gibt da ein Originalzitat, von dem mir mal eine Journalistin erzählt hat. Ihre Tochter – oder war es ihr Sohn? – hat mal zu ihr gesagt: „Mama, ich fühle mich heute brotig. Aber das geht wieder vorbei.“ Perfekt. Das ist die Quintessenz dessen, was Kinder von Bernd lernen können.

Was sollte Humor heutzutage nicht mehr machen?

JC: Da ganz allgemeingültig eine Grenze zu ziehen, ist schwierig. Aber wenn wir jetzt Bezug nehmen auf „Moooment!“, auf die Sketch-Serie, die wir für die Kids geschrieben haben und in der es um Alltagsrassismus ging: Da war uns vor allem wichtig, dass wir halt keine Gefühle verletzen wollen. Diese Grenze war von Anfang an ganz klar gezogen. Es gibt beim Humor ja viele Methoden, die funktionieren, ohne dass man in irgendeine Richtung treten muss. Wenn es ein Format für Erwachsene ist, habe ich kein Problem damit, wenn Leute sich auf die Füße getreten fühlen. Aber gerade bei Kindersendungen und gerade bei dem Thema Alltagsrassismus achten wir sehr darauf, dass niemand, der sich das anschaut, denkt: Nein, finde ich verletzend.

TK: Was darf Humor? Die Frage wird ja immer gestellt. Und das Schwierige daran ist, dass Humor in einer Gesellschaft, wie wir sie versuchen zu pflegen, eigentlich alles können dürfen muss. Das heißt aber nicht, dass man das auch machen muss. Die Gesellschaft ist eigentlich diese übergeordnete Person, die idealerweise mitdiktiert, was man – in Anführungsstrichen – „darf“. Im Sinne von „Was ist okay?“ und „Was findet man scheiße?“.

JC: Natürlich kann man Sachen ansprechen. Es kommt nur absolut auf die Haltung dahinter an. Was ist die Absicht? Wenn man einfach nur provozieren will, geht das nicht.

TK: Machen Leute trotzdem. Aber find ich halt scheiße.

Hat sich das Verständnis von Humor auch bei Kindern verändert?

TK: Jein. Tatsächlich habe ich persönlich den Eindruck, dass Kinder nicht mehr so krass und bedenkenlos miteinander umgehen, wie wir das getan haben – zumindest sehe ich das jetzt bei meinen Kindern so. Also zum Beispiel was Fat-Shaming angeht. Das war bei uns ganz furchtbar. Und auch Sprüche, die in irgendeiner Form in die rassistische Richtung gehen.

Was ist denn eure Zukunftsvision für die Generation Alpha? Was wäre zum Beispiel dein Wunsch, was die Kinder von „Moooment!“ mitnehmen?

JC: Naja, bei „Moooment!“ ist es uns gelungen, einen Freundeskreis von diesen sechs Kids zu scha!en, die es irgendwie gescha!t haben, untereinander alles anzusprechen und auch bei schwierigen Themen eine gewissen Leichtigkeit zu behalten. Das war ein bisschen so eine Wunschwelt, die wir da gescha!en haben. Ich würde den Kids draußen wünschen, dass sie genau so was auch machen können. Das fände ich schön.

TK: Ich glaube, dass diese Generation es nicht nötig hat, dass man sich für sie humortechnisch etwas wünscht. Außer vielleicht, dass sie den Weg weiter beschreitet, den sie schon beschreitet. Nämlich zu versuchen, weniger Gefühle von Menschen zu verletzen, die sich schwer wehren können. Aber so grundsätzlich wünsche ich mir für die Generation Alpha, dass entweder die vorherigen Generationen, die jetzt momentan noch an den Stellhebeln sitzen, raffen, wie viel Scheiß sie bauen und umkehren. Oder dass die Generation Alpha, wenn sie dann irgendwann mal an diesem Hebel sitzt, ihn in die richtige Richtung stellt. Hoffentlich vorwärts und nicht rückwärts.

Tommy Krappweis ist Autor, Comedian, Regisseur und Produzent und war unter anderem für Formate wie „RTL Samstag Nacht“, „ProSieben Märchenstunde“ und „Join the Club“ tätig. Für KiKA entwickelte er die Figuren Bernd das Brot, Briegel der Busch und Chili das Schaf.

Joy Chun ist Autor, Creative Producer und Regisseur und arbeitete bereits an Formaten wie „Harald Schmidt“, „Switch Reloaded“ und der KiKA-Sketch-Comedy „Moooment!“. Er ist Mitgründer einer Fernsehproduktionsfirma und Storytelling Agentur.