Kinderrechte

Wenn es Kindern gut geht, geht es auch der Gesellschaft gut

„Wir haben die Zeiten, in denen es in Deutschland wirtschaftlich sehr gut ging, nicht ausreichend genutzt, um gezielte Maßnahmen für besonders benachteiligte Kinder umzusetzen“, sagt Christian Schneider, Chef von UNICEF Deutschland. Die Zukunftsfähigkeit unseres Landes dürfe nicht weiter nur mit ‚veralteten Indikatoren‘ wie Wirtschaftswachstum, Inflationsrate und Arbeitsmarktzahlen gemessen werden. Stattdessen wünscht er sich, dass „wir es in den nächsten Jahren schaffen, das Wohlergehen der Kinder in unserem Land zum Maßstab zu machen. Denn, wenn es den Kindern gut geht, geht es auch der Gesellschaft gut.“

„Wir stärken all diejenigen, die sich für Kinder einsetzen möchten.“

Vor 30 Jahren ist Deutschland der UN-Konvention für Kinderrechte beigetreten. Doch bis zu ihrer Umsetzung ist es aus Sicht von Christian Schneider noch ein weiter Weg: „Ich glaube, wenn es um Normen und um grundlegende Dinge in der Gesellschaft geht, braucht man einen langen Atem. Bis sich die Denkweise und die Philosophie dieser damals wirklich revolutionären Kinderrechtskonvention in einer Gesellschaft durchgesetzt hat, braucht es auch noch viele Dinge im Alltag und eben auch gesetzliche Rahmenbedingungen. Das heißt, der Staat muss etwas tun.“

Gemeinsam mit anderen Kinderhilfsorganisationen macht sich auch UNICEF dafür stark, dass die Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden müssen. Schneider ist überzeugt, dass diese Entscheidung ein wichtiges Signal für die Gesellschaft wäre, denn „wir würden das bei sehr vielen Entscheidungen im Alltag in jeder Kommune merken. Wir würden es vor Gericht und bei politischen Entscheidungen merken. Der wesentliche Grundgedanke der Konvention ist, dass die Belange der Kinder, die Sorgen der Kinder und ihre besonderen Bedürfnisse bei jeder Entscheidung, die sie betre!en, vorrangig berücksichtigt werden müssen. Was das heißt, haben wir ja ganz deutlich auch in der Situation der Pandemie gesehen.“

Zwei große Sorgen stünden der Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz im Wege: Die Sorge der Menschen, dass der Staat zu viel Einfluss auf die Familien nähme, und die Sorge, dass die Rechte der Eltern beschnitten werden würden, wenn wir die Rechte der Kinder stärken würden. Christian Schneider sieht das anders: „Wir stärken all diejenigen, die sich für Kinder einsetzen möchten“, wenn wir die Kinderrechte ins Grundgesetz nehmen würden. „Das fängt bei den Eltern an, die ja das Wohlergehen der Kinder nun wirklich im Blick haben müssen und sollen. Und geht weiter über Lehrerinnen und Lehrer, über Personal in Kindertagesstätten, bis hin in die Politik.“

Was eine Umsetzung der Kinderrechte im konkreten Fall bedeutet, wird am Beispiel der „Fridays for Future“-Demonstrationen deutlich. So heißt es in Artikel 15 der UN-Kinderrechtskonvention zur Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit: „Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes an, sich frei mit anderen zusammenzuschließen und sich friedlich zu versammeln.“ Mit den ersten „Fridays for Future“- Demonstrationen hätten alle gesehen, wie wichtig dieses Recht auch ist, sagt Christian Schneider. „In der Debatte, die es seinerzeit in vielen Kreisen der Gesellschaft gab, ob Kinder dies denn wirklich dürfen oder ob die nur die Schule schwänzen, darf man sagen, das ist erst mal gar nicht die Entscheidung der Eltern oder der Lehrer oder der Öffentlichkeit. Die Kinder haben das Recht, zu demonstrieren. Wenn ihnen ein Thema wirklich unter den Nägeln brennt und sie sich dafür zusammenschließen möchten, dann haben sie auch ein Recht darauf.“

Wir müssen nicht nur über Kinderrechte sprechen, wir müssen sie leben

Nach wie vor brauche es beim Thema Kinderrechte viel Aufklärungsarbeit. Damit könne eine Gesellschaft gar nicht früh genug beginnen. „Bereits in der Kita sollten wir anfangen, nicht nur über Kinderrechte zu sprechen, sondern auch Kinderrechte zu leben.“ Wichtig sei auch, schon den ganz jungen Kindern die Grundgedanken über gleiche Chancen und Umgang miteinander zu vermitteln, indem man achtsam mit anderen Kindern umgeht und sie schützt.

Christian Schneider berichtet von dem Projekt der „Kinderrechteschulen“, das UNICEF ins Leben gerufen hat. „Unser Ziel ist es, Kinderrechte in den Alltag der Schulen zu holen, und auch Wege zu finden, Kinder stärker am Programm der Schulen zu beteiligen. Eltern und Lehrer*innen haben uns schon oft gesagt, dass das den Schulalltag verändert. Wir sehen, dass hier aus Kindern und Jugendlichen junge Bürgerinnen und Bürger werden, die eine tolle Antenne haben, auch für die Rechte und für die Nöte anderer Menschen.“

Die Medien haben eine Schlüsselrolle bei der Aufklärung über Kinderrechte

Erst wenn Kinder von ihren Rechten gehört haben, können sie auch für sich und für die Rechte anderer eintreten. „KiKA hat da eine ganz wichtige Rolle, allein schon dadurch, dass die Kinder selbst bei KiKA ja ganz zentrale Protagonistinnen und Protagonisten sind und auch die Kinderrechte immer wieder thematisiert werden“, sagt Christian Schneider. „Ich glaube, da gibt es nicht viele Medien in Deutschland, die das jetzt schon über so eine lange Strecke, auch gemeinsam mit UNICEF und anderen Kinderrechtsorganisationen tun. Ein ganz wichtiger ö!entlicher Auftrag, den KiKA im Programm ganz wunderbar und kreativ erfüllt.“

Christian Schneider ist seit 2010 Geschäftsführer des Deutschen Komitees für UNICEF. Er arbeitet seit 1998 bei UNICEF und leitete dort bis zu seiner Ernennung zum Geschäftsführer den Bereich Kommunikation und Kinderrechte.