KiKA-eigene Studie

Inklusive Sprache in den KiKA-Angeboten

Wie Kinder mit geschlechtergerechten Sprachformen aufwachsen, was sie verstehen und was sie sich wünschen, sind die Leitfragen einer repräsentativen Befragung, die im Auftrag des Kinderkanals von ARD und ZDF von iconkids & youth zum zweiten Mal durchgeführt wurde. Laut den Studienergebnissen erleben Kinder im Alltag eine Vielzahl von Anspracheformen, aber nur selten den Genderstern bzw. Glottisschlag. Sie wünschen sich einfache, mit zunehmenden Alter möglichst inklusive Formen. Ein Verständnis für Geschlechtergerechtigkeit und sprachliche Repräsentation setzt im Alter von etwa zehn Jahren ein.

Die Ergebnisse im Detail

Verbreitung und Verständnis geschlechtergerechter Sprache nach oben

Neutrale Ansprachen ohne geschlechtlichen Bezug sind am weitesten verbreitet. Inklusive Formen, wie der gesprochene Genderstern (Glottisschlag), werden lediglich von 3 % der Befragten im (Schul-)Alltag erlebt. Das Verständnis für geschlechtergerechte Sprachformen, wie den Genderstern, ist seit der ersten Erhebung im Jahr 2021 von 52 % auf 55 % leicht gestiegen. Kinder begegnen dieser Form hauptsächlich in Medien und bei Erwachsenen.

Altersabhängiges Verständnis geschlechtergerechter Sprache nach oben

Jüngere Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren zeigen weder ein ausgeprägtes Bewusstsein noch ein tiefgehendes Verständnis für geschlechtergerechte Sprache. Letzteres entwickelt sich erst mit zunehmendem Alter, insbesondere mit Beginn der Pubertät ab etwa zehn Jahren, wenn in der Regel auch ein Schulwechsel ansteht.

Bewertung der Sprachformen nach oben

Das generische Maskulinum wird von allen abgefragten Varianten am positivsten bewertet, gefolgt von der Paarform. Der Glottisschlag und der Genderstern teilen die Meinungen: 32 % der Kinder lehnen diese beiden Formen ab, 29 % befürworten sie.

Bekanntheit und Verständnis des Gendersterns nach oben

Rund 50 % der Kinder kennen den Glottisschlag oder den Genderstern und etwa 90 % können die Formen korrekt interpretieren. Jungen sind bei diesem Thema kundiger als Mädchen, und das Wissen steigt mit zunehmendem Alter. Besonders Mädchen ab etwa zwölf Jahren bewerten geschlechtsdifferenzierte Ansprachen positiv, Jungen ab etwa zehn Jahren stehen diesen Ansprachen positiv gegenüber.

Präferenzen bei der Anredeform nach oben

Bei der Frage nach der bevorzugten Anredeform schneidet das generische Maskulinum am besten ab: 54 % der Befragten bevorzugen diese Form, 32 % wünschen sich eine Beidnennung und 12 % den Genderstern. Auch hier ist ein deutlicher Alterseffekt festzustellen: So steigt der Wunsch nach einer inklusiven Sprachform wie dem Genderstern von 2 % bei den jüngsten Befragten auf 30 % bei den Zwölf- und 13-Jährigen.

Interessanterweise werden die umfassenderen Formen, insbesondere die Paarform, bei abgefragten Attributen wie „Hier fühlen sich alle Kinder gleichberechtigt“ und „Hier werden alle Kinder gleichermaßen angesprochen“ insgesamt positiver und inklusiver bewertet als das generische Maskulinum.

Die Studie basiert auf einer bevölkerungsrepräsentativen face-to-face-Exklusiv-Befragung, die KiKA im März und April 2024 mit dem Institut iconkids & youth in Deutschland mittels standardisiertem Fragenbogen durchgeführt hat. Befragt wurden 827 sechs- bis 13-jährige Schulkinder nach dem Status Quo der Ansprache, der Bekanntheit, ihren Präferenzen und Bewertungen der drei Ansprache-Formen.

Video-Interview zur Sprachstudie nach oben

Warum untersucht KiKA geschlechtergerechte Sprache?

KiKA-Redakteur Daniel Seiler: In den letzten Jahren haben wir eine gesellschaftliche emotionale Debatte rund um geschlechtergerechte und inklusive Sprache erlebt. Uns war wichtig, diese Debatte zu versachlichen und nicht über Kinder zu sprechen, sondern mit ihnen. Und deshalb haben wir uns dazu entschlossen, eine repräsentative Befragung durchzuführen und Kinder zu befragen: Was erleben sie im Alltag? Was verstehen sie uns was wünschen sie sich? Aus diesen Ergebnissen wollen wir Leitlinien für unsere redaktionelle Arbeit ableiten.

Wie nehmen Kinder geschlechtergerechte Sprache wahr?

Daniel Seiler: Im Alltag erleben Kinder eine Vielzahl von Anspracheformen. Die häufigste Anspracheform ist eine Neutrale, heißt sie werden zum Beispiel mit „Liebe Kinder“ angesprochen. Danach folgt die Ansprache mit dem generischen Maskulinum, also zum Beispiel „Liebe Schüler“. Der Anteil dabei liegt bei rund 30 %. Das ist ein Anstieg in den letzten drei Jahren um 20 Prozentpunkte. Wir lagen 2021 bei 10 %, die nur das generische Maskulinum erlebt haben. Danach folgt die Beidnennung, also „Liebe Schülerinnen und Schüler“. Und nur 3 % erleben im Alltag überhaupt eine Ansprache mit dem Glottisschlag, also „Liebe Schüler*innen“. Daraus leiten wir ab, dass es kein wirkliches Problembewusstsein gibt. Kinder erleben im Alltag eine Vielzahl von Anspracheformen und sie sind damit auch relativ zufrieden. Wenn wir uns angucken, was Kinder unter den einzelnen Formen verstehen, dann sehen wir, dass zum Beispiel bei der Ansprache „Liebe Schüler“ rund 30 % sagen, dass damit nur Jungs gemeint sind. 68 % dagegen sagen, dass damit alle Kinder gemeint sind. Bei der Ansprache von „Liebe Schülerinnen und Schüler“ liegt der Anteil, dass alle gemeint sind, bei 92 %. Und wenn wir uns den Glottisschlag angucken, dann sehen wir, dass rund 60 % der Kinder sagen, dass damit alle gemeint sind. Und 31 % sagen, dass sie nicht wissen, wer genau damit gemeint ist.

Verstehen Kinder den Genderstern?

Daniel Seiler: Wir haben Kindern ein Wort mit dem Genderstern gezeigt und 45 % der Kinder kannten diese Form und er haben es im Alltag schon erlebt. 90 % von ihnen wussten auch, dass es hier um Gleichberechtigung handelt, dass es also um Repräsentation aller Geschlechter geht. Von den Kindern konnten 55 % des Wort dann auch korrekt vorlesen. Allerdings haben wir auch gemerkt, dass sie sagen, dass es kompliziert ist, dass es schwierig auszusprechen ist und dass sie es vor allem aus den Medien kennen. Gleichzeitig bewerten sie diese Sprachform als inklusiv. Sie sagen, es geht hier um Gleichberechtigung. Und dass alle Geschlechter und alle Kinder wirklich mit gemeint sind. Bei diesen Zahlen sehen wir ganz grundsätzlich, dass mit dem Alter sowohl die Bekanntheit des Gendersterns als auch die Lesekompetenz steigt. Also je älter die Kinder werden, umso eher erleben sie es im Alltag, können es erkennen und vor allem auch aussprechen.

Wie wollen Kinder angesprochen werden?

Daniel Seiler: Wir haben die Kinder auch befragt, wie sie denn im Alltag angesprochen werden wollen. Wir sehen, dass 54 % der Kinder sich ein generisches Maskulinum vor allem wünschen. Das sind dann vor allem die jüngeren Kinder und die Jungs. Bei der Beidnennng sind es 32 %, die sich das wünschen. Auch hier sind es eher jüngere Kinder und vor allem Kinder ohne Migrationshintergrund. Den Genderstern oder den Glottisschlag wünschen sich nur 14 % der Kinder. Und das sind dann vor allem die älteren Kinder und vor allem auch Kinder mit Migrationsgeschichte. Allerdings sehen wir auch, dass hier ein ganz starker Alterseffekt ist: Je älter die Kinder werden, umso wichtiger ist ihnen eine inklusive Ansprache. Und so ist zum Beispiel der Anteil bei den Zwölf bis 13-Jährigen, die den Glottisschlag bevorzugen, bei 30 %.

Rückblick: Ergebnisse der Studie 2021 nach oben

Wie Kinder zwischen sechs und 13 Jahren geschlechtsspezifische Ansprache erleben, was sie verstehen und sich wünschen, waren Fragestellungen einer KiKA-eigenen, bevölkerungsrepräsentativen Studie, die im Frühjahr 2021 durchgeführt wurde. Untersucht wurden die Verbreitung, das Verständnis und die Akzeptanz von unterschiedlichen, sprachlichen Räumen der Ansprache, insbesondere des generischen Maskulinums, der Beidnennung sowie der Nutzung des Gendersterns bzw. des Glottisschlags.

Ein explizites Problembewusstsein für die geschlechts- und gendersensible Adressierung der jungen Zielgruppe konnte nicht erkannt werden; generell herrscht eine hohe Zufriedenheit mit jeder verwendeten Form. Mit zunehmenden Alter wünschen sich aber explizit Mädchen eine differenziertere Ansprache.

Gleiches gilt für die Frage nach der Bewertung verschiedener Ansprache-Formen: Auch hier schneidet mit steigendem Alter der Befragten eine differenzierte Ansprache in Form der Beidnennung („Schülerinnen und Schüler“) am besten ab, gefolgt vom generischen Maskulinum, das derzeit noch als die vermutlich gelernte Anspracheform bei Kindern angenommen werden kann.

Positive Bewertungen für die Variante mit dem Genderstern bzw. dem gesprochenen Glottisschlag konnten erst ab einem Alter von ca. zwölf Jahren festgestellt werden. Bei jüngeren Kindern gibt es kaum Wissen über die Bedeutung dieser Variante, noch können die meisten diese korrekt aussprechen.

Auf Basis der Studienergebnisse und einer Analyse der gesellschaftlichen Akzeptanz und Verbreitung leitet KiKA zum aktuellen Zeitpunkt die Empfehlung für alle Programmschaffenden bei KiKA, in den Landesrundfunkanstalten der ARD und des ZDF ab, in der Kinder-Ansprache auf die Beidnennung zu setzen und so eine möglichst hohe Akzeptanz und das bestmögliche Verständnis zu erzielen. Diese Empfehlung berührt nicht auf das bestehende KiKA-Repertoire.

Weitere Betrachtungen und Analysen sind notwendig, um den Sprachwandel im Blick zu behalten und Veränderungen Rechnung zu tragen. Dazu ging KiKA unter anderem eine Kooperation mit der Universität Erfurt ein, um qualitativ weitere Aspekte aus dem Spektrum geschlechtergerechter und gendersensibler Sprache zu erforschen.

Die Studie basiert auf einer bevölkerungsrepräsentativen face-to-face-Exklusiv-Befragung, die KiKA im März/April 2021 gemeinsam mit dem Institut „iconkids&youth“ in Deutschland mittels standardisiertem Fragenbogen durchgeführt hat. Befragt wurden 837 Sechs- bis 13-Jährige nach dem Status Quo der Ansprache, der Bekanntheit, ihren Präferenzen und Bewertungen der drei Ansprache-Formen.

Weitere Informationen

Der Kinderkanal von ARD und ZDF
Unternehmenskommunikation
Gothaer Straße 36
99094 Erfurt
Telefon: +49 361.218-1827
E-Mail: kommunikation@kika.de

Für zusätzliche Bildanfragen wenden Sie sich bitte an bildredaktion@kika.de.